Das antike Babel mit seinem gescheiterten Turmbau steht für Sprachverwirrung. Der biblischen Legende nach gab es nur eine Ursprache, so daß sich alle Menschen untereinander verständigen konnten. Als sie aber in Babel so vermessen waren, einen Turm bauen zu wollen, der bis zum Himmel reichen sollte, kam die Sprachverwirrung über sie; eine elegante Methode, eine Großbaustelle zur Bauruine werden zu lassen.
In unseren modernen Zeiten herrscht Sprachverwirrung aber gern auch mal unter Menschen gleicher Muttersprache, wenn es denn der Durchsetzung politischer Korrektheit dient.
Da hat sich der Chef der Glaubenskongregation des Vatikans, Gerhard Ludwig Müller, beklagt, durch gezielte Kampagnen gegen die katholische Kirche wachse eine Wut, die „heute gelegentlich schon an eine Pogromstimmung“ erinnere.
Große Wut bei einigen überkorrekten Politikern beispielsweise von der FDP (Leuthäuser-Schnarrenberger) oder den GRÜNEN (Claudia Roth und Volker Beck). Die Äußerung sei „gefährlich geschichtsvergessen“, weil ein Vergleich mit der Judenverfolgung unter den Nazis, dem Holocaust.
Die Damen und Herren Kritiker sollten statt routinemäßiger Empörung, wenn jemand auch nur vage andeutet, es könne früher oder künftig andere Pogrome geben als dieses, vielleicht einfach mal Quellen studieren. Sie kämen darauf, daß das aus dem Russischen stammende Wort „Pogrom“ (Verwüstung, Zerstörung, Krawall) ab 1880 in Rußland für Ausschreitungen gegen Juden aufkam, aber prinzipiell sprachlich gesehen für jede Ausschreitung angewandt werden kann, die gegen Angehörige einer tatsächlichen oder behaupteten gesellschaftlichen Gruppe gerichtet sind. Von einer Pogrom-Stimmung spricht man umgangssprachlich, wenn es zwar noch kein konkretes Pogrom (mit Übergriffen bzw. Gewalttaten mindestens gegen Sachen, schlimmstenfalls gegen Menschen) gibt, aber aufgehetzte Massen ein solches befürchten lassen. Ziemlich regelmäßig erzeugen antifaschistische Demonstrationen solche Pogrom-Stimmungen oder gar reale Pogrome. Volker Beck, der als Homosexuellen-Aktivist zusammen mit anderen Homosexuellen in Rußland verprügelt wurde, hat aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung auch Szenen erlebt, die man wohl pogromartig nennen muß.
Ungeachtet dessen ist die Verwendung des Wortes durch den Kirchenfunktionär Müller natürlich unangemessen, von der Sache her. Es steht schwerlich zu erwarten, daß Kirchen verwüstet werden, Gottesdienste gestört oder die Fensterscheiben von Katholiken eingeworfen werden. Da hat er also übertrieben. Der Fehler war die Übertreibung, die Überspitzung, nicht jedoch eine „Geschichtsvergessenheit“, die ihm vorgeworfen wird. Denn noch ist das Wort „Pogrom“ nicht exklusiv reserviert für die Ereignisse zwischen 1933 und 1945; noch ist es von allgemeiner Gültigkeit. Die Damen Leuthäuser-Schnarrenberger und Roth sowie Herr Beck sollten lieber ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen, als sich als Sprachlehrer der Nation zu versuchen. Dafür sind sie nämlich nicht geeignet. Alternativ könnten sie natürlich als Mitglieder von Regierung beziehungsweise gesetzgeberischer Körperschaft darauf hinwirken, daß der Volksverhetzungs-Paragraph (§ 130 Strafgesetzbuch) einen neuen Abschnitt erhält. Inhalt sinngemäß: „Bestraft wird, wer das Wort Pogrom auf irgendwelche anderen Ereignisse anwendet als auf die Verfolgung der Juden zwischen 1933 und 1945.“
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