Möglicherweise weniger aus juristischen Gründen als eher aus Höflichkeit gegenüber dem Bundesrat hat das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag gegen die NPD nicht gleich abgebügelt, sondern will in einer ersten Verhandlung u.a. die Verfahrenshindernisse erörtern.
Erwartungsgemäß zeigten die meisten Politiker etablierter Parteien sowie die meisten etablierten Medien sich sehr zufrieden und zuversichtlich: Jetzt klappt es! Als ob sie gerade mal wieder Goethe gelesen hätten: „Jetzt muß sich alles, alles wenden!“ (Oder liest man in den Kreisen Goethe nicht, weil er ein unappetitlicher Antisemit war?!)
Von den etwas Nachdenklicheren waren auch skeptische Stimmen zu hören. Vielleicht, weil man die Gliederung für die drei Verhandlungstage Anfang März 2016 gelesen hatte und darin unter anderem das Stichwort der „Verhältnismäßigkeit“ auftaucht.
Der Bundesrat hat erst in diesem Sommer – verspätet! – auf Anforderung des Gerichts weitere Argumente vorgetragen, warum die NPD mindestens in einigen Regionen ein „Klima der Angst“ erzeuge und damit dort die real existente Demokratie beeinträchtige. Ein sehr prominentes Beispiel dafür ist ein Bürgermeister irgendwo in Mitteldeutschland, der zurückgetreten ist, nachdem es aus radikal rechten Kreisen Drohungen gegen ihn gab. Er wollte seiner Familie keiner Gefahr aussetzen. – Ob und inwieweit Mitglieder der NPD für diese natürlich anonymen Drohungen verantwortlich sind, ist bislang nicht geklärt; erfahrungsgemäß kommt so etwas häufig auch aus einer amorphen Szene, deren Angehörige sich oftmals nicht mit herkömmlichen Mitteln wie Demonstrationen und anderen Formen legaler Propaganda in die Öffentlichkeit trauen.
Nun kann man aber gerade bei Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit die Frage aufwerfen, wer alles denn noch ein „Klima der Angst“ schafft, ohne daß der Staat darauf in effektiver Form reagiert.
Unlängst erst gab es wieder einen Übergriff gegen das Parteibüro der ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND in Chemnitz. Der dritte in relativ kurzer Folge. Oder war es schon der vierte?! Diesmal wurde eine Art improvisierter Sprengsatz an der Außenfront des Gebäudes gezündet. Wahrscheinlich keine richtige Bombe, aber immerhin stark genug, daß einiges an Putz von der Wand flog. Und das zu einem Zeitpunkt, wo drinnen der Kreisverband der AFD tagte. Hätte es einen solchen Anschlag beispielsweise gegen eine Versammlung von Flüchtlingshelfern oder einen Kreisverband von DIE LINKE gegeben, würden die Medien von einem versuchten Mordanschlag sprechen. Mindestens! So aber fand der Vorgang in den meisten etablierten Medien keine Erwähnung oder wurde allenfalls mit dürren, beinahe verharmlosenden Worten abgehandelt.
Da die AFD aber nun dankenswerterweise im Landtag von Sachsen vertreten ist, machte man dort mal eine Kleine Anfrage, wie es denn überhaupt im Freistaat mit Anschlägen gegen Parteibüros aussähe. Vierzig davon habe es gegeben, sagte die Landesregierung, die es ja eigentlich wissen muß, weil zu ihr auch das Innenministerium gehört. Und zwar dreißig davon – drei Viertel! – gegen Büros der AFD und zehn gegen Büros anderer Parteien….
So was darf man ja wohl als den Versuch bezeichnen, eine Atmosphäre der Angst zu schaffen! – Ob es das sein mag, was das Verfassungsgericht in seiner Verfahrensgliederung unter dem Stichpunkt „Verhältnismäßigkeit“ notiert hat? Nicht die Frage, ob ein mögliches Verbot der NPD in einer Relation zu ihrer politischen oder sonstigen „Gefährlichkeit“ steht, sondern ob das Vorgehen gegen die NPD überhaupt verhältnismäßig ist, während sich linke Bürgerkriegsbanden so gut wie ungehindert austoben dürfen?!
Man darf davon ausgehen, daß der Anwalt der NPD clever genug ist, auch diese Frage mal aufzuwerfen, wenn das Gericht selbst schon nicht so weit gedacht haben sollte.
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