Angela Merkel gilt vielen als merkbefreit. Das ist nicht nur ein nettes Wortspiel mit ihrem Nachnamen, sondern es gibt etliche Indizien dafür, daß sie es wirklich ist. Aber ein altes Sprichwort sagt, daß auch eine blinde Henne manchmal ein Korn findet. Jetzt hat die Frau Kanzlerin – die bei einer Direktwahl allenfalls noch eine relative und bestimmt keine absolute Mehrheit mehr hätte – auf jeden Fall mal etwas gesagt, was gegen die Überlegung von Merkbefreitheit spricht und wenigstens ansatzweise Realismus erkennen läßt. Wenngleich sie es auch ein wenig verklausuliert geäußert hat, in einer so zarten Andeutung, daß man schon fast im diplomatischen Dienst sein oder ein Diplom in Politik-Wissenschaften haben müßte, um die ganze Tragweite des Ausspruchs zu erkenne.

Zu einem Vorbereitungstreffen für einen EU-Gipfel mit der Türkei waren nur ganze acht von achtundzwanzig EU-Staaten mit Vertretern erschienen. Natürlich die, die von der Flüchtlingskrise am meisten betroffen sind. Die anderen signalisierten Desinteresse oder eine – wie man so schön sagt – „flüchtlingsfeindliche“ Haltung. Grund für einen nicht ganz verdummten Journalisten, Frau Kanzlerin die Frage zu stellen, ob das ein Schritt in Richtung zu einem „Kerneuropa“ sei.

Im Augenblick, so die merkenswürdige Merkel-Antwort, denke sie noch nicht so weit.

Dieses „im Augenblick“ heißt, übersetzt in die Sprache normaler Menschen, so viel wie „man kann das nicht mehr ausschließen“.

Ach ja? War „Europa“ – als verharmlosendes Kürzel für die Mißgeburt „Europäische Union“ – nicht irgendwann mal „alternativlos“? Aber wenn nicht Frau Merkel selbst, dann scheinen ihre Berater allmählich gemerkt zu haben, daß ein permanentes „weiter so“ entweder in den Abgrund führt oder in eine merkellose Zeit. Wobei klar ist, was die Mehrheit vorzieht!

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