Seit gestern liegen in allen Gemeinden des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren für die Wiedereinführung der  neunjährigen Gymnasien mit dem offiziellen Titel „Abitur nach 13 Jahren an Gymnasien: Mehr Zeit für gute Bildung, G9 jetzt!“ aus.

Es müssen insgesamt acht Prozent der Stimmberechtigten in NRW (rund 1,1 Millionen Personen) bis zum 4. Januar 2018 unterschreiben, damit der Vorschlag im Landtag beraten wird. Lehnt dieser die Änderung ab, kommt es zum Volksentscheid, wo eine Mehrheit der Bürger das Gesetz gegen den Landtag durchsetzen könnte. In diesem Artikel informieren wir über die Ziele des Volksbegehrens.

Worum geht es?

Bereits im Jahr 2005 führte die damalige CDU-Bildungsministerin Barbara Sommer G8 an nordrhein-westfälischen Gymnasien ein. Dies bedeutete, daß Schüler von diesem Zeitpunkt an nur noch acht Jahre am Gymnasium unterrichtet wurden, bis sie dieses mit dem Abitur abschlossen, anstatt den vorher üblichen neun Jahren (G9). Im Jahr 2013 verließen die ersten G8-Abiturienten das Gymnasium.

Durchgehend gab es Proteste von Schülern, Eltern und Lehrern gegen G8. Sowohl die Umsetzung als auch das Konzept an sich wurden kritisiert. Die Politik hatte dafür jedoch taube Ohren. Das änderte sich auch nicht, als nach der schwarz-gelben ab 2010 eine rot-grüne Koalition die Regierung übernahm.

So gab es bereits im Jahr 2015 eine Volksinitiative zum selben Thema. Damals übergab man rund 98.800 Unterschriften, die eine Rückkehr zu G9 forderten. Bei der dadurch erzwungenen Beratung im Landtag lehnten SPD, Grüne, CDU und FDP die Forderung allerdings geschlossen ab. Im Rahmen einer Volksinitiative ist das Verfahren nach der Abstimmung im Landtag abgeschlossen, weshalb nun ein Volksbegehren angestrebt wird, bei dem, nach einer Ablehnung durch den Landtag, das Volk in freier Wahl selbst über das Thema abstimmen kann.

Kritikpunkte an G8

Bei der Einführung von G8 standen Bildungsaspekte komplett im Hintergrund, hauptsächlich ging es um wirtschaftliche Belange. Der Wirtschaft sollen so ein Jahr jüngere Abiturienten zur Verfügung gestellt werden, die man noch leichter formen kann. Der Staat hat dadurch den Vorteil, daß Schüler ein Jahr früher zu Steuerzahlern werden. Die Lebensarbeitszeit wird nicht nur durch einen späteren Eintritt in die Rente, sondern auch durch einen früheren Einstieg ins Berufsleben verlängert. Wie so oft bei den aktuellen Experimenten in der Bildungspolitik, stand also nicht eine bessere Bildung und eine Verbesserung zugunsten der Schüler im Zentrum der Reform, sondern reine Wirtschaftsinteressen.

In der Realität ist aber selbst dieses Ziel nicht aufgegangen. Die Universitäten beklagen, daß die Studierfähigkeit der Studienanfänger zurückgegangen sei, was wiederum zu längeren Studienzeiten führt und auch die Arbeitgeber sind unzufrieden.

Die Umsetzung war von Anfang an vollkommen mangelhaft. Lehrpläne wurden zurechtgestutzt, die tatsächliche Lernleistung vermindert und die Schulen waren in keiner Weise auf den entstehenden Ganztagsunterricht eingestellt, so fiel z.B. das Mittagessen für die Schüler oft einfach komplett aus.

Zusätzlich stieg die Belastung für die Schüler massiv an, da in den nun noch vorhanden acht Jahren trotzdem alle Schulstunden der bisherigen neun Jahre untergebracht werden mußten, weshalb die Schultage wesentlich länger wurden. Merkmale der Überlastung nahmen deutlich zu. Außerdem wurde das soziale Leben zwangsläufig eingeschränkt.

Aus Zeitgründen traf man sich weniger mit Freunden, beteiligte sich weniger an Sportvereinen und nahm seltener außerschulischen Musikunterricht, um nur einige Punkte zu nennen. Gerade in der Jugend, einer Zeit in der man seine Persönlichkeit und seine sozialen Kompetenzen maßgeblich bildet, sind solche Aktivitäten enorm wichtig. Diese Entwicklung der eigenen Persönlichkeit wurde also mutwillig kurzfristig gedachten Wirtschaftsinteressen geopfert. Auf dem Weg in eine Gesellschaft von Konsumzombies und Arbeitssklaven mag das sinnvoll erscheinen, wenn man jedoch eine Gesellschaft starker, selbstdenkender Persönlichkeiten anstrebt, ist dieses Vorgehen verheerend.

Wie sehen die Mehrheitsverhältnisse aus?

Bei der geschlossenen Ablehnung durch die etablierten Parteien könnte man davon ausgehen, daß die Rückkehr zu G9 nur von einer lautstarken Minderheit gefordert wird. Tatsächlich regieren die Parteien jedoch wieder gegen den Willen der Mehrheit des eigenen Volkes. Die Bildungspolitik ist einer der Bereiche, in denen das am häufigsten vorkommt.

Dies geht eindeutig aus den Antworten auf eine Umfrage hervor, mit deren Durchführung der Bildungsforscher Professor Dr. Rainer Dollase von der Landeselternschaft der Gymnasien NRW beauftragt wurde. Insgesamt haben sich im Rahmen von drei Umfragen dabei über 50.000 Personen beteiligt.

In der postalischen Umfrage nach Zufallsprinzip entschieden sich 79 % der Gymnasialeltern für G9, eine Bestätigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen im Jahre 2014, die 76 % (Forsa) bzw. 79 % (Emnid für JAKO) festgestellt hatten. In der Online-Umfrage haben sich sogar 88 % der befragten Eltern für eine Rückkehr zu G9 ausgesprochen.

Auch bei Schülern, Lehrkräften an Gymnasien und an anderen Schulen, außerschulischen Lehrkräften, Grundschuleltern, ehemaligen Eltern von Schulkindern und interessierten Mitbürgern wurden in jedem Fall mehr als 70 % (Direktoren von Gymnasien) bis maximal 96,7 % (außerschulische Lehrkräfte, z.B. an Musikschulen) Zustimmung zu G9 registriert. Grundschuleltern befürworten zu 93,4 % ein G9.

Die absolute Mehrheit der Bevölkerung steht also auf der Seite der Initiatoren des Volksbegehrens und somit gegen die Einheitsfront der etablierten Parteien.

Aufgrund der genannten Kritikpunkte und der eindeutigen Mehrheitsmeinung von Schülern, Eltern und Lehrern, die man zu respektieren hat, unterstützen wir das Volksbegehren.

Wo kann man unterschreiben?

Die Internetseite der Initiatoren des Volksbegehrens ist unter https://www.g9-jetzt-nrw.de zu finden. Dort kann man sich registrieren, Unterschriftenlisten herunterladen und diese ausgefüllt an Mehr Zeit für Kindheit und Jugend e. V., Am Buchenhain 23, 51643 Gummersbach senden.

Alternativ liegen vom 2. Februar bis zum 7. Juni Unterschriftenlisten in den Gemeinden aus. Zusätzlich zu den normalen Öffnungszeiten sind die Büros an vier Sonntagen geöffnet (19.02., 26.03., 30.04. und 28.05.). Eintragungsberechtigt ist, wer wahlberechtigt zum Landtag Nordrhein-Westfalen ist.

Quelle: DIE RECHTE – Kreisverband Rhein-Erft

Bild: Dieter Schütz | pixelio.de

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