Zum 1. Todestag: „Am Tag als SS-Siggi starb“: Ein Nachruf auf Siegfried Borchardt

Der linke Mob tönte im Internet hämisch, als die Nachricht vom Ableben eines der bekanntesten Nationalisten Deutschlands, dem Dortmunder Urgestein Siegfried Borchardt, bekannt wurde. Ob ihnen dabei Conny Kramer aus dem Lied von Juliane Werding vor Augen schwebte oder die in Dortmund mindestens genauso bekannte Version mit einem sterbenden Fußballverein aus der Nachbarschaft gemeint war, ließ sich aus den Beiträgen nicht erkennen. Doch in beiden Liedern wird von einem schönen Tag gesprochen. Das war der 3. Oktober 2021, der Tag, an dem Siegfried Borchardt im Alter von 67 Jahren erlag, sicherlich nicht. Nur eine Viertelstunde, nachdem er einer kurzen, aber schweren Krankheit erlag, verdunkelte sich der Himmel über der Westfalenmetropole und es ergossen sich dicke Regenschauer. Ein göttliches Zeichen? Nun, Siggi war da eher atheistisch veranlagt, mit einem Hang zu germanischer Mythologie. Aber auch wenn es Zufall gewesen ist: Der Regen und das schlechte Wetter passten zu diesem düsteren Tag.

Seit Jürgen Rieger hat wohl im nationalen Lager kein Tod eine solche Bestürzung ausgelöst, die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Siggi, den die Medien – gegen seinen Willen – als „SS-Siggi“ tauften (ein Name, der in den eigenen Reihen oft aus Unwissenheit über den Ursprung übernommen wurde), stand jahrzehntelang in der ersten Reihe des politischen Kampfes. Er war ein echtes Ruhrpottoriginal, obwohl er eigentlich aus dem konservativen Münsterland stammte, das beschauliche Leben im Kreis Steinfurt aber schnell gegen die lebendige Großstadt eintauschte. Und lebendig war bei Siggi alles: Sein Draufgängertum, mit dem er in jungen Jahren erste Erfahrungen mit der Staatsmacht machte, zwischenzeitlich Europa Richtung Südamerika verlassen musste und das Glück hatte, durch einen Brand im Hagener Justizzentrum ohne Strafe wieder einreisen zu können (damals gab es noch keine digitalen Gerichtsakten und die zahllosen Verfahren gegen Siggi fielen den Flammen zum Opfer). Oder bei der Borussenfront, zu deren Gründungsmitgliedern ihn manche Medien fälschlicherweise bis heute zählen, tatsächlich trat er der bis heute wohl bekanntesten Dortmunder Hooligangruppierung, deren Hochphase in den 80ern und frühen 90ern lag, erst einige Zeit später bei. Aber er wurde zweifelsfrei ihr bekanntester Akteur. Er verstand es, diejenigen, die Lust an Fußballrandale hatten mit den politischen Köpfen – seinerzeit neben der Mitte der 80er-Jahre gegründeten Kameradschaft Dortmund auch aus dem Spektrum der heute verbotenen FAP – zusammenzuführen. Siggi, der übrigens in seinem Leben über 100 Länder besuchte und, obwohl er sich mit dem Image selber offenbar wohl fühlte, keineswegs der „dumpfe Straßenschläger“ war, sondern politisch durchaus als Wegweiser bezeichnet werden kann, war jemand, der Menschen zusammenführte, ganz gleich, welchen Hintergrund sie hatten oder welcher gesellschaftlichen Schicht sie entstammten. Und er wurde in seinem langjährigen Wohnumfeld im Dortmunder Norden, vor allem rund um den Borsigplatz, eine Kultfigur. Es gab Zeiten, da wurde er fast im Minutentakt auf der Straße „standesmäß“ gegrüßt – es war die Hochphase der Borussenfront und Kameradschaft Dortmund (es gab immer Überschneidungen zwischen beiden Gruppen), die in der Nordstadt einen Gegenpol zur bereits damals sehr sichtbaren Überfremdung, aber auch linken Initiativen bildeten. Manchen hasserfüllten Kommunisten bot Siggi über Jahrzehnte die Stirn. Viele politische Gegner hat er überlebt. Andere werden nun feiern, ihn überlebt zu haben. Aber auch darüber würde Siggi wohl nur lachen, denn so ist das Leben halt.

Siggi selber hat immer wieder davon gesprochen, dass er keine 100 werden würde – ihm war bewusst, dass ein solcher Lebensstil, wie er ihn pflegte, Tribut zollt. Dass sein Tod dennoch so plötzlich und unerwartet eintrat, Siggi den Vorabend noch in geselliger Runde mit Kameraden Kaltgetränken verbrachte, ist deshalb umso tragischer. Er wurde im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf Morgen aus dem Leben gerissen. Aber – im Gegensatz zu vielen, die sich aus gewollter oder gezwungener Bürgerlichkeit zurückgehalten haben – kann Siggi auf ein bewegtes Leben zurückblicken, bis in seine letzten Tagen. Sagenhaft sind die Hooligan-Straßenschlachten der Borussenfront, unvergessen die hunderten Demonstrationen, die Siggi mit den Dortmunder Jungs unterstützte. Wenn es zur Sache ging, war Siggi an vorderster Front, z.B. bei der Gerichtsverhandlung des mittlerweile auch verstorbenen Markus Privenau in Bremen, als im Rahmen der Auseinandersetzung mit de politischen Gegner kurzfristig eine Straßenbahn „entführt“ werden musste und Siggi bis heute Scherze über einen langjährigen Kameraden aus der höheren NPD-Führungsebene macht, der (während die Durchsage erfolgte, dass die kleine Gruppe der FAP die Straßenbahn übernommen hat und es keinen weiteren Zwischenhalte gibt, um sich einem Mob von tausenden Antifaschisten zu entziehen, die hinter der Bahn herstürmte) einen Fahrschein löste. Oder Siggis 50. Geburtstag im Dortmunder Norden, der zur „Party des Jahres“ wurde, nachdem die Polizei die Feier, die in einem Kellerraum stattfand, auflösen wollte – gegen den Willen der Partygäste, die sich hartnäckig wehrten. Am Ende musste die Feuerwehr mit einem C-Rohr Wasser in den Keller leiten, um den Partymob zur Aufgabe zu bewegen, die erfolgte, als das Wasser wortwörtlich „bis zum Hals“ stand. Siggi wurde später verurteilt, weil er mit einem Kantholz auf einen vorstürmenden Polizisten einschlug – doch nicht etwa wegen Körperverletzung, sondern wegen übertriebener Notwehr, denn der gesamte Polizeieinsatz stellte sich als rechtswidrig heraus. Und so blieb er der einzige der gute 100 Gäste, die allesamt festgenommen wurden, der sich überhaupt gerichtlich verantworten musste. Widerstand, so stellte das Gericht fest, wäre in Ordnung gewesen, das Kantholz jedoch eine Nummer zu viel – am Ende blieb eine Geldstrafe.

Wer einen solchen Lebensstil pflegt, kommt aber nicht immer mit Geldstrafen davon, deshalb führte Siggis weg immer wieder ins Gefängnis, selbst weit Jenseits der 60er-Grenze musste er noch Haftstrafen absolvieren. Und hätte wohl bald wieder ins Gefängnis gemusst, ihm drohte eine Haftstrafe nach einer Auseinandersetzung mit Linksextremisten, die sich im Europawahlkampf der Partei DIE RECHTE im Mai 2019 ereignete. Und bei der Siggi eigentlich angegriffen wurde, aber das interessierte das Gericht nicht. Nie verhandelt wird deshalb wohl auch ein Angriff auf den Dortmunder Antifachef Nick S., zu dem sich Siggi stets fröhlich bekannte: Der Anfang 20er hatte Siggi vor zwei Jahren in einer Straßenbahn bedroht und zum Kampf herausgefordert. Das ließ sich der alte, aber noch wehrhafte Mann nicht gefallen: Kaum ausgesprochen, hatte der dickliche Junge Siggis Gehstock im Gesicht, rief nach der Polizei und war sich im Nachgang nicht zu peinlich sein Gesicht in einem WDR-Bericht als „Opfer rechter Gewalt“ hinzuhalten. „Rentner verprügelt frechen Jugendlichen“ wäre wohl die passendere Überschrift gewesen.

Die Aufzählung von Siggis Erlebnissen und Taten wäre endlos. Er war jemand, dem ein Grinsen durch das Gesicht ging, wenn die Jugend – wie z.B. am 1. Mai 2009, als hunderte Nationalisten in der Dortmunder Innenstadt eine schwungvolle Spontandemonstration durchführten – loslegte. Er erkannte früh das Potenzial, was in den „Autonomen Nationalisten“ lag und band die „jungen Wilden“ in die Dortmunder Kameradschaftsstrukturen ein, was zu einem einzigartigen Übergang von jung und alt führte, der bundesweit Vorbildcharakter hatte. Siggi schätzte die Arbeit der jungen Generation und die „jungen Wilden“ gaben es zurück: Bis auf die Titelseite der „New York Times“ schaffte es Siggis Einzugs ins Dortmunder Rathaus, der – wie könnte es bei Siggi anders sein – von einer Straßenschlacht überschattet wurde. Nur: Diesmal traf Siggi keinerlei Schuld, im Gegenteil. Die fröhlichen Rechten, die ihren Ratseinzug feiern wollten, wurden von einem Mob etablierter Politiker angegriffen, die Gegenwehr wurde medial zum Angriff ausgelegt. Das übliche Spiel eben. Sein Ratsmandat nahm Siggi übrigens nur widerwillig an, ihm musste vorher versprochen werden, dass er lediglich seinen Bekanntheitsgrad hergibt, damit es medial „richtig Wellen schlägt“. Umso lieber war ihm aber die Tätigkeit als Abgeordneter in der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord, seinem Viertel, zu dem er sich trotz des Umzuges nach Dorstfeld und seiner Einbindung als „gute Stimme von Dorstfeld“ (inklusive täglichen Bürgersprechstunden auf dem Markt) hingezogen fühlte.

Siggi war in Dortmund eine lebende Legende, über die zahlreiche Geschichten herumgeisterten. Wenn jeder, der irgendwann behauptete, in einem Verwandtschaftsverhältnis zu Siggi zu stehen, tatsächlich mit ihm verwandt gewesen wäre, hätte er wohl ein größeres Familienumfeld als der Miri-Clan gehabt. Aber Schwätzer gibt es eben viele und überall. Siggi nahm sie mit Humor, erfreute sich an seiner Bekanntheit und war auch neuen Formen der Kommunikation mit seinen Kameraden, Unterstützern und Freunden nicht verschlossen, zu erinnern sei an seine legendären Facebook-Partys (deren Ankündigung zu Polizeigroßeinsätzen führte) oder seine jüngste Tätigkeit als „Telegram-Influencer“, die er mit großer Begeisterung und vielen persönlichen Schilderungen aus seinem Leben betrieb. Sein letzter Beitrag erschien am Samstagvormittag, er beklagte einen plötzlich auftretenden, schlechten Gesundheitszustand und teilte mit, sich ins Krankenhaus zu begeben. Es war sein letzter Weg, den er zurücklegte, wenig später teilten ihm die Ärzte mit, dass er sich eine Blutvergiftung zugezogen haben, die zu spät erkannt wurde – es wäre hoffnungslos. Diese traurige Nachricht bewahrheitete sich und während hunderte Dortmunder zum Klinikum-Nord strömten, um Abschied von Siggi zu nehmen (die Polizei erschien am späten Samstagabend mit 10 Fahrzeugen und riegelte zwischenzeitlich sogar den Eingang ab, ehe erkannt wurde, doch etwas über das Ziel hinausgeschossen zu sein), wurde die Atmung immer leiser. Kurz nachdem seine Tochter einen tausend Kilometer langen Weg zurückgelegt hatte, um sich noch von ihrem Vater zu verabschieden, schlossen sich die Augen eines starken Kämpfers. So, als hätte er noch auf ihren Besuch gewartet.

Wir – alle, die mit ihm in den letzten Jahren und Jahrzehnten als Kameraden, Freunde, Bekannte, flüchtige Bekannte oder in irgendeiner Form zu tun hatten – werden ihn ewig in Erinnerung behalten. Und das ist keine Floskel. Wir werden sein politisches Lebenswerk vollenden, den Traum von einem freien Deutschland.

Quelle: DIE RECHTE Kreisverband Dortmund

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