In München waren Kommunalwahlen. Und da haben dann die Bewohner der bisher rot regierten Bayerischen Landeshauptstadt mit Interesse geschaut, ob die SPD oder die CSU die Nase vorn hatte. Und zwar sowohl bei den Stadtratswahlen als auch bei der Direktwahl des Oberbürgermeisters. (Der bisherige, Ude, darf wegen Erreichen der Altersgrenze nicht mehr neu kandidieren. Schade, daß es nicht auch für Bundespräsidenten eine Altersgrenze gibt! Spätestens seit Herrn Gauck wäre darüber nachzudenken, so eine einzuführen.)
Bei der Oberbürgermeisterwahl war relativ schnell klar, daß es eine Stichwahl würde geben müssen. Das Ergebnis der Stadtratswahl steht auch fast 30 Stunden nach Schließung der Wahllokale noch nicht endgültig fest.
Der Grund dafür ist das sehr komplexe Bayerische Kommunalwahlrecht. Da kann man kumulieren und panaschieren. Und weil das komplex ist, dauert die Auszählung entsprechend länger. Die Ergebnisse, die man am späten Sonntagabend abrufen konnte, waren daher noch keine abschließenden. Man hoffte, solche bis Montagabend nachreichen zu können. Aber um 23.08 Uhr verkündete der Chef der Zählkommission im Kreisverwaltungsreferat, man breche für heute ab.
Auf der höheren Ebene des doppelten Kopf-an-Kopf-Rennens lag zu dem Zeitpunkt die CSU mit 26 Sitzen vor der SPD mit 25 Sitzen. Was sich, wie gesagt, am morgigen Dienstag noch ändern kann….
Aber es gab auch eine zweite Ebene des Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen zwei Kleinparteien. Oder, richtiger gesagt, eine Kleinpartei und eine Bürgerinitiative, die wiederum die Tarnliste einer anderen Kleinpartei ist. (Fast so kompliziert wie das Bayerische Kommunalwahlrecht selbst….) Wer möchte, kann es auch personalisieren. Der eine (in alphabetischer Reihenfolge) ist Karl Richter, der für die Bürgeriniative Ausländerstopp (BIA) antritt, die allein deshalb als NPD-Tarnliste gilt, weil Richter einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD ist. Der andere (noch immer in alphabetischer Reihenfolge) ist Michael Stürzenberger, der für die ursprünglich von Rene Stadtkewitz mit großen Hoffnungen begründeten Partei DIE FREIHEIT antritt, die allerdings inzwischen weder in ihrem Stammland in Berlin noch sonstwo in der Republik außer in München eine Rolle spielt.
In München spielt sie deshalb eine Rolle, weil Stürzenberger ein sehr rühriger Aktivist ist, dessen Schwerpunkt auf Anti-Islamisierung liegt und der vor allem auch mit Unterschriftensammlungen gegen eine Groß-Moschee in der Münchner Innenstadt von sich hat reden machen lassen.
Auf örtlicher Ebene in der Millionenstadt vielleicht derzeit nicht ganz so rührig, aber zweifellos ähnlich bekannt ist Richter. Richter saß bereits im Stadtrat. Daß er dort in bürokratischer Fleißarbeit ca. 500 Anträge stellte bzw. Anfragen einreichte, hat ihn vielleicht weniger bekannt gemacht als ein vermeintlicher Hitler-Gruß bei der Amtseinführung. Wobei Kenner der Materie anhand der Pressephotos meinen, wenn Karl Richter im Dritten Reich in dieser Weise den Hitler-Gruß entboten hätte, dann hätte er vielleicht mit einer disziplinarischen Strafe rechnen müssen. In der BRD war es stattdessen eine strafrechtliche Verurteilung zu einer vierstelligen Euro-Summe, die Richter ohne weitere Rechtsmittel hat rechtskräftig werden lassen.
Die BIA hatte bei der letzten Stadtratswahl 1,4 Prozent der Stimmen und hat sich offenbar jetzt auf ungefähr die Hälfte reduziert; ob das für die Fortsetzung des Stadtratsamtes für Richter reicht oder nicht, werden wir wohl erst am Dienstag genau erfahren. (Um 22.57 Uhr am Montagabend sah es so aus, als würde es gerade eben reichen.)
DIE FREIHEIT kam von null auf ebenfalls 0,7 Prozent, lag bei der letzten Zählung jedoch ganz knapp hinter der BIA, so daß es für Stürzenberger zu dem Zeitpunkt für das Mandat eben nicht gereicht hat. Was sich, ähnlich wie im Fall Richter, morgen durch die weitere Auszählung der panaschierten Stimmen noch ändern kann.
Man muß natürlich kein Adam Riese sein, um festzustellen, daß 2 x 0,7 ziemlich exakt dem letztmaligen BIA-Ergebnis von 1,4 entspricht, sich dieses nur die beiden Organisationen jetzt mehr oder minder brüderlich geteilt haben.
Eine Besonderheit des Wahlrechts vor allem für kleine Parteien, die auf maximal einen Sitz in so einem Gremium hoffen dürfen, ist natürlich, daß diese Form der politischen Zellteilung dazu führen kann, daß entweder beide ein Mandat bekommen oder keine oder die eine mit einer Handvoll Stimmen mehr es bekommt und die andere eben nicht. Niemand hat behauptet, daß Demokratie in ihren Randbereichen nicht auch mal ein bißchen bizarr sein darf.
Für leidenschaftliche Analysten der Ergebnisse im null-Komma-Bereich wird dann auch interessant sein, worauf man das jeweils eine oder andere zurückführen kann. (Wobei diese Überlegungen üblicherweise Spekulationen sind, denn eine meinungsumfragemäßige Verifizierung bei so herzlich wenig Wählern ist schwer möglich. Dazu müßte man nicht die üblichen 1.000 bis 2.000 repräsentativen Verdächtigen befragen, sondern vielleicht die hundertfache Zahl.)
Richters Vorteil dürfte gewesen sein, daß die sogenannte „Tarnliste“ BIA nicht wirklich getarnt ist, sondern die meisten Leute wissen, daß die BIA zum NPD-Umfeld zu zählen ist und Richter hochrangiger NPD-Funktionär. Trotz des zwar fortschreitenden, aber langsamen Niederganges der NPD also immer noch ein recht satter Bekanntheitsgrad.
Für Stürzenberger sprach nicht nur dessen Rührigkeit mit der Fleißarbeit von zeitweilig täglichen Kundgebungen, Mahnwachen und ähnlichen kleinen Auftritten, sondern auch die Unterstützung durch die Internet-Quelle „Political Incorrect“. PI, wie es auch kurz genannt wird, hat immerhin im Tagesdurchschnitt bei 80.000 Leser und in Spitzenzeiten auch mal etwas über 100.000. Was ja nun echt eine Hausnummer ist. (Wir haben im Schnitt bei 500.)
Aber auch all das sorgt nicht einmal für ein volles Prozent je Organisation. Und ob es für einen oder für zwei oder für keinen Sitz reicht, wird man am Dienstag erfahren.
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