Als Julia Timoschenko – damals noch mit Wiktor Janukowitsch verbündet – als eine der Anführer der „orangenen Revolution“ an die Macht kam, frohlockte der Westen. Erwartete man von dieser mindestens teilweise von obskuren westlichen „NGOs“ finanzierten „Revolution“ doch eine engere westliche Anbindung der Ukraine und letztlich deren Herausbrechen aus dem vormaligen sowjetischen Machtbereich.
Diese Hoffnungen erfüllte Timoschenko, die mit 28 Jahren als Pornoverleiherin in die Privatwirtschaft einstieg, aber nicht. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin nutzte ihr politisches Amt offenbar lieber dafür, den persönlichen Reichtum zu mehren. Vielleicht war das der Grund, warum sie 2010 bei den Wahlen gegen ihren vormaligen Verbündeten Janukowitsch unterlag. Und vielleicht allein deshalb, weil auch dem persönlicher Reichtum und Luxus offenbar wichtiger war als politische Verantwortung, wurde Timoschenko in einem fragwürdigen Prozeß wegen Amtsmißbrauchs zu sieben Jahren verurteilt. Sofern man sich nicht die Mühe macht, die Prozeßakten zu lesen, kann leicht der Eindruck entstehen, daß da ein Oligarch eine andere Oligarchin als politische Konkurrentin ausschalten ließ. Andererseits aber muß man sich schon die Frage stellen, ob es denn mit rechten Dingen zugehen kann, wenn eine einfache Pornoverleiherin es schafft, binnen anderthalb Jahrzehnten ein Vermögen von mehreren hundert Millionen US-Dollar anzuhäufen.
Aber diese etwas zwielichtigen Dinge waren rasch vergessen, als Janukowitsch eine engere Anbindung an die EU ablehnte; vielleicht auch, weil die EU eine Haftentlassung von Frau Timoschenko zur Bedingung des Abkommens gemacht hatte.
Kaum war Janukowitsch gestürzt – nebenbei gesagt: unter Bruch eines Abkommens mit der Union, für das drei gewichtige Außenminister von EU-Staaten als Zeugen sozusagen gebürgt hatten – , wurde Timoschenko aus der Haft entlassen und hatte einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt auf dem Maidan, bei dem sie im Rollstuhl saß. Ob das nun wirklich eine medizinische Notwendigkeit wegen ihres während der Haft entwickelten Bandscheibenproblems war oder ob sie sich damit in heroischer und gleichzeitig opferhafter Weise profilieren wollte, weiß man nicht so genau. Schließlich hat die Frau den Spitznamen „die Füchsin“ und gilt damit als listenreich.
Dann aber war sie nicht listenreich genug, um daran zu denken, daß in Zeiten von NSA vielleicht nicht nur die Amerikaner Telefone abhören, sondern daß das möglicherweise der Inlandsgeheimdienst Rußlands, FSB, genausogut kann. Der formell zwar nur in der russischen Föderation tätig ist, der aber als Nachfolgeorganisation des KGB gilt und dem man folglich wohl zutrauen darf, sich nicht allein auf den verbliebenen Rest des früheren Sowjet-Imperiums zu beschränken.
In einem alsbald der Öffentlichkeit bekanntgewordenen Telefonat mit ihrem Vertrauten Nestor Schufritsch wütete sie (ohne Namensnennung) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und meinte, sie sei bereit, selbst eine Maschinenpistole in die Hand zu nehmen und „den Drecksack in die Stirn zu schießen“. (Dabei scheint ihr Bandscheibenproblem nicht hinderlich zu sein…) Und außerdem solle man die acht Millionen Russen in der Ukraine „mit Atomwaffen totschießen“.
Frau Timoschenko bestätigte zwar weitgehendst die Echtheit des Telefonats, behauptete aber, die letztgenannte Bemerkung sei nicht authentisch, sondern eine Montage; so etwas habe sie niemals gesagt. Klar. Sie tritt ja Ende Mai zur Wahl an. Da kommt es wohl schlecht, wenn sie vorher wütend erklärt hat, einen nicht unbeträchtlichen Teil des Wahlvolkes atomisieren zu wollen.
Unabhängig davon, daß sie dieses Teil-Dementi abgegeben hat – für wie glaubwürdig man es immer hält – , ist sie seither natürlich nicht mehr Westens Liebling. Selbst Kanzlerin Merkel ließ es an weiblicher Solidarität mangeln – ihr Regierungssprecher Steffen Seibert meinte, es gäbe Grenzen im Denken und Sprechen, die nicht überschritten werden dürften. Die Vorstellung, ein ausländisches Staatsoberhaupt zu erschießen, ist wohl eine solche Grenze, und die Vorstellung eines atomaren Einsatzes zur Vernichtung von rund acht Millionen Menschen wohl noch viel eindeutiger.
Schade. Westen muß sich jetzt einen neuen Liebling suchen.
Natürlich hätten wir da den Boxer Witali Klitschko. Ob man dem eigenen Volk aber unbedingt einen Sportstar als aussichtsreichstes Staatsoberhaupt der Ukraine präsentieren will, ist so eine Sache. Da könnte ja selbst nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung sogar ein Ulli Hoeneß mehr Sympathien in einer Direktkandidatur haben als die amtierende Kanzlerin. Das geht natürlich mal gar nicht!
Und da man die Ukraine gern an den kapitalistisch orientierten Westen anbinden möchte, was liegt da näher, als einen Oligarchen, sprich also einen besonders aggressiven (und besonders erfolgreichen!) Kapitalisten zu bevorzugen?! – Das wäre in diesem Fall Pjotr
Poroschenko. Denn während sowohl Boxer Klitschko als auch die gelegentlich spöttisch als „Gasprinzessin“ bezeichnete Timoschenko nach derzeitigen Meinungsumfragen auf jeweils a. 10 Prozent hoffen dürfen, wird Poroschenko von den Meinungsbefragern mit gut doppelt soviel, nämlich ca. 25 Prozent, gehandelt und liegt damit eindeutig an der Spitze.
Da wollen wir mal hoffen, daß nicht auch Poroschenko sein Vermögen mit möglicherweise unlauteren Mitteln angehäuft hat. Sonst könnte Westens Parole künftig lauten: Liebling – verzweifelt gesucht!
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