Söder und die Pest

Corona sei wie die Pest, behauptete Bayerns Ministerpräsident Söder auf
dem virtuellen Neujahrsempfang der CDU in Nordrhein-Westfalen.

Der Mann braucht ein wenig Nachhilfeunterricht.

Die Pest wird von einem gramnegativen, stäbchenförmigen, unbeweglichen
Bakterium namens Yersinia pestis übertragen. Genomforschungen haben
ergeben, daß der Erreger mindestens 3.800 Jahre alt ist. Berühmt
geworden ist im 6. Jahrhundert die „Justinianische Pest“, benannt nach
dem damaligen oströmischen Kaiser Justinian. Unter Seuchenhistorikern
war lange Zeit umstritten, ob es sich wirklich um „die“ Pest gehandelt
hat, aber neuere Genomforschungen haben bestätigt, daß es Yersinia p. war.

Dann verschwand die Pest für über 700 Jahre aus Europa, um zwischen 1347
und 1350 als die wahrscheinlich heftigste Pandemie der
Menschheitsgeschichte zurückzukehren. Sie traf auf eine völlig
unvorbereitete Bevölkerung. Der zeitgenössische französische Dichter
Jean Froissart schrieb dazu: „Ein Drittel aller Welt starb.“ Vermutlich
war das weniger eine geniale Schätzung, sondern wurde von ihm in seiner
tiefgläubigen Zeit aus der Johannes-Apokalypse der Bibel übernommen.
Aber er lag richtig. Es dürften in Europa tatsächlich ungefähr ein
Drittel aller Menschen gestorben sein; ein kaum vorstellbarer
demographischer Einbruch, der natürlich auch nach dem Abklingen der Pest
für soziale Verwerfungen sorgte.

In Deutschland wütete aus Gründen, die man bisher nicht wirklich hat
nachvollziehen können, der „Schwarze Tod“ besonders heftig. Vielleicht
lag es daran, daß Deutschland erst relativ spät – um 1350 – betroffen
wurde und sich zu dem Zeitpunkt, wie bei Pestepidemien häufig, die viel
infektiösere und tödlichere Lungenpest gegenüber der Beulen- oder
Bubonenpest durchgesetzt hatte. Es wird geschätzt, daß in Deutschland
die Todesrate sogar bei der Hälfte lag. Vor der Pest standen in den
Gildelisten der Hamburger Bäcker zwölf Meister; nach der Pest noch
sechs. Vor der Pest hatte Hamburg zwölf Ratsherren, nach der Pest waren
es nur noch sechs. Man geht davon aus, daß die Bevölkerung der Stadt
damals von 10.000 auf 5.000 Menschen schrumpfte. Und wie in Hamburg sah
es mehr oder minder im ganzen damaligen Heiligen Römischen Reich
deutscher Nation aus.

Für die nächsten dreihundert Jahre gab es in Europa immer wieder
Pestzüge, allerdings nicht mehr so umfassend wie der „Schwarze Tod“ um
die Mitte des 14. Jahrhunderts. Die Ausbrüche waren meist lokal und
regional beschränkt.

Ab dem 17. Jahrhundert trat die Pest in Europa seltener auf. Dies ist
vermutlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Die Pest wird regelmäßig
durch Zoonose übertragen; ihr natürliches Reservoir sind Nagetiere,
hauptsächlich Ratten. Zwischenwirt bei der Übertragung auf den Menschen
ist der Floh, vornehmlich der Rattenfloh Xenopsylla cheopis. Ein
Massensterben der Ratten kurz vor dem Ausbruch der Krankheit bei
Menschen wurde von vielen Chronisten berichtet. Waren die Ratten tot,
befielen ihre Flöhe den Menschen, und von da ab erfolgte die Verbreitung
vorzugsweise durch den Menschenfloh, Pulex irritans. Bei Übertragung
durch Flohstich entstand die Beulenpest. Erreichte der Keim vor dem Tod
des Kranken die Lunge, konnte er anschließend in Form der gefährlicheren
Lungenpest auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden, durch
Tröpfcheninfektion beziehungsweise Aerosole. – Im 17.Jahrhundert wurde
in Europa schrittweise die kleine schwarze Hausratte (rattus rattus) von
der größeren norwegischen Wanderratte (rattus norvegicus) verdrängt.
Während rattus rattus gern in der Nähe von Menschen lebt und sich von
Abfällen ernährt, ist rattus norvegicus deutlich menschenscheuer. Die
Voraussetzungen für den zoonotischen Übergang der Krankheit auf den
Menschen waren damit vermindert.

Hinzu kommt, daß ab dem 17. Jahrhundert nicht nur für Burgen oder
Kirchen, sondern zunehmend auch für Wohnhäuser Steinböden in Mode kamen
statt der Holzböden. Damit wurde der Floh zunehmend aus der Nähe des
Menschen vertrieben, weil er sich gern in Ritzen von Zielen einnistet
und dort seine Larven heranreichen.

Als zusätzlicher Faktor wird angenommen, auch wenn es bisher noch keinen
definitiven Beleg dafür gibt, daß ungefähr um diese Zeit sich Yersinia
pseudotuberculosis endemisch verbreitete. Der Erreger dieser
vergleichsweise harmlosen Erkrankung ist mit dem Pesterreger eng
verwandt; eine überstandene Infektion mit der Pseudotuberkulose könnte
zu einer mindestens teilweisen Immunisierung gegen die Pest geführt haben.

Auch verbesserte Hygiene sowie Schutzmaßnahmen wie die Quarantäne
sorgten dafür, daß Pestausbrüche in den zivilisierten Ländern immer
seltener wurden.

Weitgehendst besiegt war die Pest durch das Aufkommen von Antibiotika.
Tetrazykline sind äußerst wirksam, wenn sie früh genug verabreicht
werden, und als Reserveantibiotika stehen Streptomicyn und
Chloramphenicol zur Verfügung.

Anders als die Pocken (variola), die keinen tierischen Zwischenwirt
haben und nur den Menschen befallen, kann die Pest allerdings nicht
vollständig ausgerottet werden. In manchen Weltgegenden tritt sie noch
immer endemisch auf; vor allem auf Madagaskar sowie in Teilen von
Afrika, aber auch im US-Amerikanischen Kalifornien, wo Erdhörnchen ihr
natürliches Reservoir bilden. Durchschnittlich gibt es jährlich etwa
1.000 Pestfälle weltweit, von denen rund 10 Prozent tödlich verlaufen;
meist, weil die Krankheit nicht rechtzeitig diagnostiziert wird und
daher zielgerichtete Antibiose nicht oder zu spät erfolgt.

Weltweites Aufsehen erregte vor gerade einmal 26 Jahren die „Pest von
Surat“. Surat ist eine indische Stadt mit ungefähr viereinhalb Millionen
Einwohnern. Es gab 234 nachgewiesene Pestfälle und über 6.000
Erkrankungen, bei denen die Pest vermutet, aber nicht nachgewiesen
wurde. Die Zahl der Toten war mit 56 überraschend gering. Auffällig war
allerdings, daß das Medikament der ersten Wahl, Tetrazykline, sich nicht
als verläßlich wirksam erwies. Krankenhauspersonal, das dieses Mittel
prophylaktisch erhielt, erkrankte teilweise trotzdem. Erst eine
Kombination aller drei gegen Yersinia pestis wirksamen Antibiotika
erwies sich dann als verläßlich wirksam. Ob es sich um eine Mutation des
eigentlich recht stabilen Bakteriums handelt oder einen neuen Stamm, war
eine Weile umstritten; aufgrund molekularbiologischer Besonderheiten
geht die Wissenschaft inzwischen allerdings davon aus, es sei ein neuer
Stamm.

Die Pest hat also ihre Schrecken verloren, auch wenn dies ein Prozeß war, der sich über mehrere Jahrhunderte hinwegzog. Der „Schwarze Tod“ des 14. Jahrhunderts ist allerdings tief im kollektiven Gedächtnis vor allem der europäischen Menschen verankert.

Zweifellos aus diesem Grund griff der Politiker Söder zu einem Vergleich, der etwa so aberwitzig ist, wie wenn er einen illegalen Polen-Böller mit einer taktischen Nuklearwaffe verglichen hätte.

Solche Dinge müssen eben zur Panikmache herhalten. Nicht viel anders, wenn der nämliche Söder vor einer „Corona-RAF“ warnt und die etwas ungemein weit hergeholte Befürchtung äußert, aus „bösen Gedanken könnten böse Worte und aus bösen Worten böse Taten“ bis hin eben zu einem Terror wie früher von der linksextremen „Rote Armee-Fraktion“ (RAF) entstehen.

Dieser Herr Söder ist als bayerischer Ministerpräsident eine Fehlbesetzung. Man sollte für ihn ein neues Amt schaffen: Bundesminister für Panik und maßlose Übertreibung.

DIE RECHTE/Bundesverband. 

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