Eine alte Weisheit. Ein Gedicht von Hermann Lingg beschreibt die Schwarze Pest, die größte Katastrophe der europäischen Menschheit im 14. Jahrhundert, als „den großen Gleichmacher“. Das ist aber nur Literatur. Die Armen starben zahlreicher als die Reichen. Anders als diese konnten sie sich die Flucht vor der Seuche nicht leisten; sie konnten es sich nicht leisten, sich in Burgen und Palästen zu verbarrikadieren, um möglichst der Ansteckung zu entgehen. Und die Masse der Hungerleider war so schlecht ernährt, daß sie nicht sonderlich viel Widerstandskraft hatten.

Heutzutage hungert in einem Land wie der BRD niemand mehr, und anders als in etlichen Gegenden Afrikas braucht man das Wasser nicht abzukochen, um es keimfrei zu bekommen. Es fließt in Trinkwasserqualität aus unseren Leitungshähnen.

Dennoch gibt es Unterschiede. Und das betrifft nicht nur Zahngesundheit oder andere zuzahlungspflichtige Behandlungen.

Der Transplantationsskandal an den Universitätskliniken von Göttingen und Regensburg hat Mißtrauen ausgelöst und damit weitere Nachforschungen, ob es nur die mutmaßliche Verfehlung (sprich Bestechlichkeit) eines einzelnen Arztes war oder ein Systemfehler. Eine Berechnung des Gesundheits-Experten der GRÜNEN, Harald Tepe, leg den Verdacht nahe, daß Privatpatienten auch mit Spenderorganen bevorzugt versorgt werden. Das ergeben Vergleiche, wieviele Privatpatienten auf einer Warteliste für ein bestimmtes Organ stehen und wieviel Prozent der Empfänger eines solchen Organs dann auch privat versichert sind. Bei Lebern beispielsweise sind 9,7 Prozent der Anwärter privat versichert, aber 13,1 Prozent der Empfänger. Anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, das lebenswichtige Organ zu bekommen, ist für einen Privatpatienten fast anderthalb mal so hoch wie für einen gesetzlich Versicherten.

Ein Leser des SPIEGEL kommentierte das zynisch: „Ist doch eh besser, wenn Hartz-IV-Empfänger nicht so lange leben; nur so kann man Kosten reduzieren.“

Dieser gesellschaftspolitische Aspekt könnte ein ungerechtes Vergabesystem zwar indirekt fördern, dürfte aber nicht der wesentliche Grund sein. Wichtiger ist, daß Patienten mit einer privaten Versicherung für Krankenhäuser wie Ärzte lukrativer sind als die, die nur auf die grundlegende Versorgung Anspruch haben.

Der Nachteil dieses Skandals ist, daß die Bereitschaft, überhaupt Organe zu spenden, deutlich gesunken ist. Worunter letztlich alle leiden, die Armen wie die Reichen. Ob es für die Armen tröstlich ist, daß die Reichen darunter ein klein wenig mehr leiden, ist fraglich.

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