Der alte und neue Innenminister von Nordrhein-Westfalen heißt Jäger. (Genaugenommen heißt er Ralf Jäger und ist bei der SPD; bürgerliche wie politische Höflichkeit gebieten ja eigentlich, auch den Vornamen des Herren sowie seine Parteizugehörigkeit zu nennen.) Ein schöner deutscher Name.
Seit etwa zwei Monaten hat Herr Jäger allerdings auch einen Spitznamen. Er wird von manchen Menschen „Nazi-Jäger“ genannt. Dieser Spitzname hat einen besonderen Charme, weil er sehr doppeldeutig ist. Einmal kann damit natürlich gemeint sein, daß Herr Jäger Nazis jagt. Zum anderen ist allerdings auch vorstellbar, daß man damit suggerieren möchte, er sei selber einer; beispielsweise, weil er sich Methoden bedient, die man eigentlich eher als nazistisch denn als freiheitlich-demokratisch betrachtet.
Grund für eine solche zumindest denkbare zweite Interpretation könnte eine Verbotswelle sein, die Herr Jäger ausgerechnet in der „heißen Phase“ des Landtagswahlkampfes in Nordrhein-Westfalen losgetreten hat. Da wollte er durch örtliche Polizeipräsidien nämlich der rechtsgerichteten Partei PRO NRW untersagen lassen, auf ihren Kundgebungen Karrikaturen des moslemischen Propheten Mohammed zu zeigen. Wohl nicht zuletzt, weil der Vorsitzende von PRO NRW ein erfahrener Rechtsanwalt ist, scheiterten diese Verbote allesamt vor den Gerichten, was Herrn Jäger nicht hinderte, die ihm nachgeordneten Präsidien immer wieder zu neuen Verboten anzustacheln.
Man darf einem solchen Mann wohl – noch gelinde ausgedrückt – ein seltsames Rechtsverständnis vorwerfen.
Nun mag man entschuldigend sagen, daß im Wahlkampf die Gemüter manchmal erhitzter sind als zu anderen Zeiten. Und bei dieser Wahl ging es für Herrn Jäger ja nicht zuletzt auch um die Frage, ob er weiterhin Innenminister bleiben könnte oder sich bei mangelndem Wahlerfolg seiner Partei auf einen weniger prominenten und auch weniger gut bezahlten Platz in die zweite Reihe zurückziehen mußte.
Aber die Seltsamkeiten des Herrn Jäger setzen sich fort.
Er hat dieser Tage den jährlichen Bericht des ihm unterstellten Landesamtes für Verfassungsschutz vorgestellt. In nüchterner Statistik erwähnt der Bericht, daß politisch motivierte Gewalttaten von links und rechts sich ungefähr die Waage hielten; 190 rechtsextrem motivierten Gewalttaten stünden knapp über 200 linksextrem motivierte gegenüber.
Unabhängig davon möchte Herr Jäger den Schwerpunkt der Arbeit dieses Amtes weiterhin gegen rechts richten.
Warum eigentlich? Wenn Linksextremisten in Sachen Gewalttaten sogar eine Führung von knapp zehn Prozent gegenüber Rechtsextremisten haben? Tut es dem Opfer einer Gewalttat weniger weh, wenn diese aus linksextremistischer Motivation heraus begangen wird, als wenn es sich um eine Tat aus rechtsextremistischer Motivation heraus handelt?
Herr Jäger sollte sich vielleicht daran erinnern, daß er als deutscher Minister dem Grundgesetz verpflichtet ist, und daß dieses Grundgesetz in Artikel 3 die Gleichheit aller vor dem Gesetz festschreibt und damit Willkür verbietet.
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