Internationales Aufsehen erregt hat der Prozeß gegen drei junge russische Punk-Musikerinnen der Gruppe „Pussy Riot“. Wegen eines durchaus despektierlichen Auftritts in einer russisch-orthodoxen Kathedrale sind sie seit etwa einem halben Jahr in Haft und wurden heute zu jeweils zwei Jahren Straflager verurteilt. Die Richterin blieb damit um ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Was bei dieser speziellen Richterin Marina Syrowa übrigens sehr, sehr selten vorkommen soll.

Nach westlichen beziehungsweise bundesdeutschen Maßstäben ein scheinbar hartes Urteil. In der BRD beispielsweise ist „Störung der Religionsausübung“ mit einer Höchststrafe von drei Jahren bedroht. Wer so etwas begeht und nicht gerade notorischer Wiederholungstäter ist, muß mit nicht mehr als einer Geldbuße oder allenfalls einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe rechnen. In Rußland allerdings gilt dieses Verhalten als „schweres Rowdytum“ oder „Hooliganismus“, und darauf steht eine Höchststrafe von bis zu sieben Jahren. Ist halt eine andere Dimension. Andere Länder, andere Sitten.

Mehr als die Hälfte der repräsentativ befragten Russen hielt das Verfahren für fair; lediglich eine Minderheit meinte, daß es gewissermaßen unter der Kontrolle von Wladimir Putin und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill gestanden habe. Diese Kritiker haben allerdings vielleicht überhört, daß Präsident Putin selbst sich vor wenigen Wochen erst anläßlich der olympischen Sommerspiele in London zu dem Verfahren geäußert hat. Er hoffe, die russsische Justiz „werde sie nicht zu hart bestrafen“, wurde er zitiert, und „er glaube, die drei jungen Frauen hätten ihre Lektion gelernt“. Ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gehört sicherlich nicht zu den sonderlich wünschenswerten Erfahrungen.

Und wenn westliche Medien sich jetzt in Kritik ergehen, dann muß auch einmal daran erinnert werden, daß es mit der Meinungsfreiheit „im freisten Staat, den wir je auf deutschem Boden hatten“ auch nicht völlig optimal aussieht.

Horst Mahler wurde wegen Volksverhetzung, Holocaustleugnung oder auch mal einem verbotenen Gruß an die Adresse von Michel Friedmann („Heil Hitler, Herr Friedmann“) zu insgesamt zwölf Jahren verurteilt worden. Diese gewaltfreien Meinungsäußerungen haben dem Ex-Anwalt und Ex-RAF-Mitglied mehr Haft beschert als seine frühere Tätigkeit für die Terrorgruppe Rote Armee Fraktion.

Der Betreiber des Internet-Portals „Altermedia“, Axel Möller, wurde wegen größtenteils noch nicht einmal von ihm selbst stammenden, aber von ihm nicht zensierten Äußerungen zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Offenbar hatte Möller die grundgesetzliche Forderung, „eine Zensur findet nicht statt“, zu wörtlich genommen…

Der vielleicht krasseste Fall der jüngsten Zeit ist der eines 55-jährigen herzkranken Arbeiters. Dieser sitzt seit etwas mehr als fünf Monaten in Untersuchungshaft, weil er Angehöriger des „Aktionsbüros Mittelrhein“ sein soll, das nach Meinung der Staatsanwaltschaft Koblenz eine „kriminelle Vereinigung“ darstellt. Auch nur eine einzige von ihm persönlich begangene Tat ist nicht angeklagt…. Seine Tätigkeit für das „Aktionsbüro“ bestand einzig und allein darin, daß er eine Lautsprecheranlage gewartet und bedient hat, die auf behördlich zugelassenen und friedlich verlaufenden Demonstrationen eingesetzt worden ist.

Dieser letzte Fall ist ja wohl ein mindestens eben so schwerer Angriff gegen die Meinungsfreiheit wie das heute in Rußland ergangene Urteil gegen die drei jungen Punkerinnen. Aber es ist schon interessant zu sehen, daß die deutsche Presse so etwas schamhaft verschweigt, während sie jetzt die Gelegenheit wahrnimmt, sich über die putinsche Innenpolitik zu beschweren.

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