Hätten wir uns vor zehn oder gar vor zwanzig Jahren vorstellen können, welchen Einfluß die zunehmende Computerisierung inzwischen auf unsere Alltagssprache hat? Nein, wahrscheinlich nicht. Damals hätten bei der Überschrift die meisten wohl den Kopf geschüttelt. Heute ist es wohl eher schwer, jemanden zu finden, der nicht weiß, was Googles „Suggestions“ sind. Man gibt einen Suchbegriff ein, und Google bietet einem automatisch verschiedene (weitere) Möglichkeiten.

Gibt man beispielsweise den Namen „Bettina Wulff“ ein, vormalige First Lady der Republik, dann bietet die automatische Suchmaschine einem Ergänzungen wie „Prostitution“, „Escort-Service“, „Rotlichtmilieu“ oder dergleichen.

Gerüchte über eine entsprechende Vergangenheit kamen im Vorfeld der vorletzten Bundespräsidenten-Wahl erstmalig auf. Angeblich wurden sie aus Kreisen der niedersächsischen CDU gestreut und wohl auch von einer FDP-Angehörigen. Via Internet verbreiteten sie sich rasend schnell und ziemlich weit, so daß sogar vermeintlich seriöse Mainstream-Medien sie zumindest in Frageform weitertransportierten.

Solange ihr Mann Bundespräsident war, nahm Bettina Wulff das klaglos-schweigend hin. Sie dachte wohl, juristische Gegenwehr sei vor allem für das Amt von Christian Wulff schädlicher als eben vornehme Zurückhaltung. Vielleicht hatte sie auch Worte des früheren Reichskanzlers Otto von Bismarck in Erinnerung, der einmal gesagt hat: „Ich glaube eine Nachricht erst dann, wenn sie offiziell dementiert worden ist.“

Inzwischen ist Herr Wulff nicht mehr Bundespräsident (was wir auch gut so finden; ohne damit sagen zu wollen, daß wir seinen Nachfolger sooooo viel besser finden), und für derlei Zurückhaltung gibt es seitens der Frau Wulff keinen Grund mehr. Also hat sie inzwischen losgelegt. Rund drei Dutzend Medienhäuser oder Blogger sollen bereits strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben haben. In einigen Fällen hat Wulffs Anwalt Gernot Lehr Schmerzensfeld in fünfstelliger Euro-Höhe durchgesetzt.

Aktuell hat Frau Wulff ihren Anwalt Klagen gegen Günter Jauch und den Konzern Google einreichen lassen. Gegen Jauch, weil er nicht bereit war, eine solche Unterlassungserklärung abzugeben, aber in einer Sendung Medienberichte über diese Gerüchte zitiert hatte und damit nach Auffassung von Wulff und ihrem Anwalt zur weiteren Verbreitung beigetragen hätte.

Komplizierter ist die Klage gegen den Google-Konzern.

Der nämlich macht seinerseits geltend, daß er seine „Suggestions“ weder willkürlich noch überhaupt selbst abgibt, sondern daß sie vom Programm automatisch angeboten werden, und zwar danach, wie viele Nutzer zusätzlich zu einem bestimmten Namen eben diese Suchbegriffe eingeben.

Auch das ein Beispiel für die berüchtigte „Schwarmintelligenz“. Ein Wort, das ohne Computer, Internet und PIRATEN-Partei wohl nur ein paar Biologen oder Zoologen kennen würden. Je mehr Menschen etwas glauben oder zumindest vermuten oder nach etwas fragen, desto „wahrer“ wird die Geschichte, unabhängig von ihrem wirklichen Wahrheitsgehalt.

Schon Dr. Joseph Goebbels wußte, daß ständige Wiederholung das Geheimnis der Propaganda sei. Wobei er diese Weisheit wahrscheinlich nicht erfunden hat; sie dürfte seit zweitausend Jahren oder länger bekannt sein.

Wenn eine Zeitung so was lostritt, dann kann man sich dagegen wehren, wie Frau Wulff gezeigt hat.

Was aber, wenn es ein automatisiertes Programm ist, über das Millionen anonymer Nutzer entscheiden? Es wird eine interessante Frage, ob ein Gericht jetzt Google verpflichtet, diese „Suggestions“ aus dem Programm herauszunehmen.

Leave a Reply

Your email address will not be published.