Entnazifizierung der Buchstabentafel

Die Was-Tafel bitte? Wird an einer Buchstabentafel Buchstabensuppe an Bedürftige ausgegeben? Oder „Russisch Brot“ in Buchstabenform?

Nein, eine Buchstabentafel – auch Telefon- oder Funk-Alphabet genannt – hat nichts mit Buchstaben im übertragenen Sinn zu tun, sondern mit tatsächlichen. Um gerade bei schlechten Sprechverbindungen
Mißverständnisse zu vermeiden, ist jedem Buchstaben ein Begriff zugeordnet, der mit diesem Buchstaben anfängt: Also A wie Anton, B wie Bertha (oder Bruno), C wie Caesar und so weiter und so fort. So etwas
gibt es in Deutschland seit 1903, also jetzt stolze 117 Jahre lang.

Ende März 1933, knapp zwei Monate nach der hitlerschen Machtübernahme, fiel einem offenbar besonders eifrigen Nationalsozialisten auf, daß in der damaligen „Weimarer Tafel“, also der bis dahin gültigen Buchstabentafel, etliche jüdisch klingende Namen auftauchten: David für D, Nathan für N, Samuel für S. Er regte gegenüber dem Postamt in Rostock Änderung an; es würden sich doch sicherlich stattdessen geeignete
deutsche Namen finden lassen.

Pflichtgemäß leitete die Rostocker Post das an die Oberpostdirektion in Berlin weiter, allerdings mit einer kritischen Anmerkung: „„Es [das Anschreiben aus Rostock] verkennt hierbei indes, daß es sich um Namen
von Männern des alten Testaments handelt, die später nicht nur von Juden, sondern vielfach auch von allgemein angesehenen Männern beider christlicher Konfessionen getragen worden sind. Bei Ausräumung dieser Namen aus der Buchstabiertafel zum augenblicklichen Zeitpunkt kann mit Sicherheit angenommen werden, daß diese Maßnahme nicht nur bei dem Judentum Anstoß erregen, sondern auch bei den Angehörigen der beiden christlichen Konfessionen nicht überall Verständnis finden wird und möglicherweise auch im Ausland Angriffe zufolge haben würde, die der nationalen Bewegung in Deutschland nicht dienlich sind. Die OPD erachtet daher eine Änderung in der angestrebten Weise zum mindesten jetzt noch nicht für angebracht und beabsichtigt, den Antragsteller durch das Postamt Rostock dahingehend im Wege mündlicher Besprechung bescheiden zu
lassen.“

Andere sahen das ein bißchen dogmatischer, und so kam es der 1934-er Ausgabe des Telefonbuchs zu einigen Änderungen: Aus Daniel wurde Dora, aus Nathan Nordpol und Samuel ein urgermanischer Siegfried.

Der Fairness halber muß man allerdings sagen, daß die Entfernung eines jüdischen Namens schon ion der Weimarer Republik stattgefunden hatte: Während im Kaiserreich noch Isidor für I stand, war es in der Weimarer Zeit dann Ida und blieb sowohl im Dritten Reich als auch in der Bundesrepublik Ida.

Elf Jahre später war der Krieg verloren, aber die „Germanisierung“ aus nationalsozialistischer Zeit wurde in der BRD nur teilweise rückgängig gemacht. Aus dem Siegfried wurde nun wieder der ursprüngliche Samuel.
Auch der ursprüngliche Zacharias hieß nun nicht mehr Zeppelin, sondern wurde wieder zu Zacharias. Jacob, der in Kaiserreich und Weimarer Zeit für das J stand, war im Nationalsozialismus zu einem schlichen „Jot“
geworden, aus dem die BRD dann einen nicht-biblischen Julius machte. David und Nathan bekamen ihre Buchstaben nicht zurück. Eine Änderung, die irgendwie nicht ganz und nicht halb war. Vielleicht wollte man sich gerade dadurch von den Nationalsozialisten unterscheiden: Die hatten schließlich alle biblischen Namen, weil (auch) jüdisch klingend, verbannt.

Das will man jetzt nachholen.

Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, hat an das DIN geschrieben, das Deutsche Institut für Normung. Seltsam, daß erst 75 Jahre nach Kriegsende jemand auf diesen Gedanken
kommt…. Aber da gab es doch das Dichterwort: „Spät kommt Ihr, aber Ihr kommt!“

Jetzt aber wird es ein klein wenig kompliziert. Ab nächsten Herbst (2021) soll zunächst einmal wieder die „Weimarer Tafel“ aus der besagten Weimarer Zeit gelten. Zugleich soll dann eine neue normierte Buchstabentabelle vorgelegt werden, für die voraussichtlich Städtenamen verwendet werden. Die endgültige Reform soll dann ein Jahr später, im dritten Quartal 2022, stattfinden.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Aber immerhin, nach einem Dreivierteljahrhundert hat man einen weiteren Schritt zur Entnazifizierung in Angriff genommen.

Unklar ist allerdings, was Herr Blume, der Antisemitismus-Beauftragte von Baden-Württemberg, dazu sagen wird, wenn künftig eher „neutral“ deutsche Städtenamen verwendet werden sollen. Ob das als späte Entnazifizierung ausreicht?

DIE RECHTE/Bundesverband.. 

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