Ein Papier aus dem Innenministerium

Der Mann heißt Stefan Kohn, ist 57 Jahre alt, Mitglied der SPD und Oberregierungsrat. Letzteres kann sich ändern. Während andere, die es in dem Alter zum Oberregierungsrat gebracht haben, gute Chancen haben, als Regierungsdirektor oder gar Leitender Regierungsdirektor pensioniert zu werden, sind die Aussichten von Herrn Kohn in dieser Hinsicht eher schwach. Mehr spricht dafür, daß er frühzeitig pensioniert oder auf sonst eine Weise aus dem Amt gehebelt wird. Ein Verbot zur Ausübung des Dienstes hat er bereits. Denn er hat sich bei seinem Dienstherrn, Herrn Seehofer, unbeliebt gemacht. Genaugenommen wohl nicht nur beim Innenminister, sondern bei der ganzen politischen Nomenklatura.
Kohn leitet ein Referat, das sich KRITIS nennt. KRITIS steht für „kritische Infrastruktur“. Dazu gehören beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit Strom oder Wasser oder aber auch medizinische Versorgung. Das Referat hat aufzuzeigen, wo mögliche Gefahren sind und welche Auswirkungen diese haben können.
Insofern hat Herr Kohn – auch wenn er keinen direkten Auftrag dazu hatte – seinen Job gemacht, indem er ein etwas über achtzigseitiges Papier erstellt hat. Er hat darin auf die Auswirkungen des sogenannten shutdown auf einen Teil der „kritischen Infrastruktur“ – nämlich die medizinische Versorgung – aufmerksam gemacht. Unter anderem hat er festgestellt, daß in der Zeit des sogenannten shutdown rund 2,5 Millionen Operationen nicht durchgeführt beziehungsweise veschoben worden sind, daß Therapien zur Krebsbehandlung oder Untersuchungen zur Krebsvorsorge ausgefallen oder verzögert sind und daß sich sogar Menschen, die an akuten Herzbeschwerden leiden, vielfach nicht mehr ins Krankenhaus begeben, weil sie vor einer Infektion mit Corona mehr Angst haben als vor einem Herzinfarkt. Manche der Zahlen, die er nennt, sind erschreckend. Von ihm befragte Fachleute vermochten nicht einzuschätzen, wieviele Todesopfer wohl die ausgesetzten Operationen fordern würden; also nicht die Operationen selbst, sondern der Umstand, daß sie nicht zeitnah stattfinden können. Von unter 5.000 war die Rede, aber auch bis zu 125.000, also fünf Prozent der Patienten, der erwähnten 2,5 Millionen Menschen. Seriös abschätzen kann man das wohl nicht, wie der Autor der Studie selbst behauptet; und die genannte Maximalzahl von 125.000 erscheint dann doch sehr, sehr hoch gegriffen. Aber daß es Menschen gibt, die einer aufgeschobenen medizinischen Behandlung oder Operation wegen sterben, ist wohl unzweifelhaft.
Das stellt der Beamte den bisherigen Folgen der Corona-Pandemie beziehungsweise denen, die wohl zu erwarten gewesen wären, wenn es den sogenannten shutdown nicht gegeben hätte, gegenüber. Er geht dabei so weit zu sagen, daß es sich bei Corona „wohl um einen globalen Fehlalarm gehandelt habe“.
So etwas wollte aber in Zeiten der Corona-Hysterie gerade im Innenministerium wohl niemand hören. Deshalb wurde dem Mahner untersagt, seine Dienstgeschäfte weiter zu führen, und es wurde gerügt, er habe seine Analyse unbefugt auch auf Briefpapier des Bundesinnenministeriums verbreitet.
Eine sachliche Auseinandersetzung mit der detaillierten Arbeit hat es aber nicht gegeben! Vielleicht auch deshalb nicht, weil sich Experten wie Professor Peter Schirmacher auf die Seite von Kohn gestellt haben. Schirmacher ist nicht irgendwer – er leitet die Pathologie der Universität Heidelberg. Wichtiger noch: Er ist Mitglied der Leopoldina-Akademie, die auch Angela Merkel berät und laut Merkel „bei der Corona-Politik der Kanzlerin eine wichtige Rolle spielt.“Der Mangel an inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Papier fiel sogar der BILD-Zeitung auf, die dann unter Berufung auf Prof. Schirmacher titelte: „Mehr Tote wegen Corona-Regeln“.
Angela Merkel beispielsweise ging im Deutschen Bundestag auf die Studie mit der dürren Bemerkung ein, „die Bundesregierung teile diese Ansichten nicht“. Warum sie sie nicht teilt, verriet uns die Kanzlerin nicht. Und auch die spöttelnde Anmerkung von Bundespräsident Steinmeier, in Seuchenzeiten sei ein Mundschutz hilfreicher als ein Aluhut, ist einerseits zwar richtig, geht andererseits aber an diesem Thema leider vorbei. Gegen Herzinfarkt oder Krebs hilf weder das eine noch das andere….
Aber wenn man schon Verschwörungstheorien diskutieren möchte: Vielleicht ist es den Befürwortern der Einschränkungen letztlich ganz angenehm, wenn nicht AN und auch nicht MIT Corona, sondern durch die unabsichtlichen Nebenfolgen der Einschränkungen viele Menschen sterben. Dann haben die Seuchenhysteriker Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres ein schönes Argument an der Hand: Die Übersterblichkeit. Da kann man dann sagen: Seht her, das Ding war doch viel gefährlicher als die Grippewellen der letzten Jahrzehnte! – Woran die Leute dann gestorben sind, wird in so einer Statistik natürlich nicht aufgelistet. Wie schön, daß Statistik interpretierbar ist! Man braucht sie noch nicht einmal zu fälschen; man muß sie nur so auslegen, wie es einem in den Kram paßt. Politiker haben darin eine erheblich größere Erfahrung als gewöhliche Mitbürger mit dem vielgerühmten, aber wenig beachteten gesunden Menschenverstand.

Die Rechte/Bundesverband

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