Drittweltland

Als der inzwischen stark alternde Oskar Lafontaine noch Ministerpräsident des Saarlandes war, hetzte er einmal sinngemäß: Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und so seien deutsche Sekundärtugenden, die auch geeignet seien, ein KZ zu betreiben.

Bei einer solchen Einstellung eines Spitzenpolitikers darf man sich nicht groß wundern, wenn diese sogenannten Sekundärtugenden aus der Mode kommen; wer möchte in diesem ach so woken Zeitalter schon gern in eine mindestens indirekte Nähe zu KZ-Kommandanten gerückt werden?

Daher scheint es wohl modern, das Gegenteil von dem zu tun, was über Jahrhunderte hinweg als speziell deutsch oder noch spezieller preußisch galt. Das zeigte das einstige Zentrum Preußens, Berlin, die jetzige Bundeshauptstadt, eindrucksvoll bei der letzten Wahl.

Sicherlich ist es eine organisatorische Herausforderung, wenn eine Bundestagswahl zeitgleich mit einer Landtagswahl stattfindet und zudem noch Wahlen zu den Bezirksparlamenten und eine Volksabstimmung. Da kann man schon mal ein wenig den Überblick verlieren bei so viel Papierkram in dem engen Zeitrahmen von 8.00 bis 18.00 Uhr, der Öffnungszeit der Wahllokale. Und wenn dann die Verkehrsverbindungen durch einen Marathonlauf noch stark beeinträchtigt sind, ist das Chaos ja wohl schon vorprogrammiert.

Bei dieser Wahl nahm es einen solchen Umfang an, daß jetzt der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, dessen oberstes Gericht, die vollständige Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus, dem Landesparlament des Stadtstaates Berlin, angeordnet hat.

Wenn nicht die ganze Republik, dann hat aber zumindest deren Hauptstadt eindrucksvoll bewiesen, daß wir inzwischen auf dem Niveau eines Drittweltlandes angekommen sind. Ob mangelnde Organisationskraft von Behörden oder die durch die Energiekrise drohende Deindustrialisierung, die uns mindestens indirekt – durch Verlust von Wirtschaftskraft und Steueraufkommen – noch weitere Defizite in der Verwaltung bescheren wird – das Ende ist nah!

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