Der Nationalsozialismus, hört man an jeder Straßenecke, war die schlimmste Diktatur, die jemals existiert hat, egal, ob auf deutschem Boden oder sonstwo in der Welt. Das ist Staatsdoktrin der BRD – ebenso wie es das in der DDR war -, und das Gegenteil zu behaupten kann nach deutschen Sondergesetzen sogar strafbar sein.

Angesichts der permanenten Berieselung mit dieser Botschaft auf allen nur verfügbaren Ebenen sollte man davon ausgehen, daß sie angekommen ist, ja, daß sie das ganze Volk restlos durchdrungen hat.

Schaut man sich die beinahe schon mitleiderregend geringen Wahlergebnisse rechter Parteien an oder den Umstand, daß bei jeder rechten Demonstration Gegendemonstranten in oftmals zehnfacher Überzahl auftreten, scheint es so.

Aber Fakten dieser Art sind manchmal nur die Oberfläche. Darunter mag es anders aussehen.

Darüber hat jetzt die Uni Berlin geforscht. Sie hat eine sehr breit angelegte Studie gemacht, an der nicht weniger als 7.000 Neunt- und Zehntklässler aller Schultypen teilgenommen haben.

Neutral ausgedrückt, haben viele Jugendliche in Deutschland Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur zu erkennen. Ein bißchen konkreter gesagt: Weniger als die Hälfte der Befragten hat keinerlei Zweifel, daß der Nationalsozialismus eine Diktatur war. Was im Umkehrschluß bedeutet, daß mehr als die Hälfte den Nationalsozialismus entweder nicht für eine Diktatur halten oder zumindest deutliche Zweifel daran haben. Und jeder dritte glaubt, die Regierung der ehemaligen DDR sei durch demokratische Wahlen legitimiert gewesen.

Die Forscher führen das auf mangelnde geschichtliche Bildung zurück. Klar, sie müssen das so sehen; sie werden immerhin vom Staat alimentiert, dessen Doktrin insofern klar ist, egal, wie historisch oder nicht-historisch sie nun ist.

Es mag aber eine sehr einleuchtende andere Erklärung geben. Je repressiver eine Demokratie ist, desto mehr verwischt sich der Unterschied zwischen ihr und einer Diktatur. Möglicherweise wird sie dann sogar zu einer Diktatur der Demokraten… Wenn ein Staat Menschen zur „kriminellen Vereinigung “ erklärt, weil sie unerwünschte Lieder singen oder Flugblätter verteilen oder Artikel ins Internet stellen, also ihre Meinung äußern, ist es schwer, fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jugendlichen zu erklären, wo da der Unterschied zur politischen Unterdrückung der Opposition in Diktaturen liegt.

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