Zwei Dutzend Abgeordnete und weniger als eine Minute reichen, um ein neues Gesetz zu verabschieden. Es ist schon interessant, was die „repräsentative Demokratie“ so alles ermöglicht.

Die geringe Zahl an Abgeordneten, die über das neue Meldegesetz abgestimmt haben, erklärt sich auf höchst undemokratische Weise: Es regierte König Fußball! Die Sitzung des Plenums fand während eines Spiels der Europa-Meisterschaft im Balltreten statt. Verständlich, daß daß die Parlamentarier nicht einmal die fünf-Prozent-Hürde (die bei ca. 600 Bundestagsabgeordneten folglich bei etwa 30 liegt) meistern konnten. Und die eines Hohen Hauses eher unwürdige Hast erklärt sich vielleicht mit der späten Stunde. Oder auch diese rund zwei Dutzend Abgeordneten wollten den Rest des Spiels nicht versäumen…

Schon erstaunlich, daß die Geschäftsordnung des Bundesparlaments die Verabschiedung eines Gesetzes erlaubt, wenn nicht mindestens die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Nicht nur bei dieser Gelegenheit fragt man sich, wofür die Damen und Herren eigentlich ihre Diäten beziehen.

Möglicherweise wäre dieser Skandal gar nicht bekannt geworden, wenn es nicht um das Gesetz selber einen Skandal gegeben hätte. Das Parlament ging nämlich noch über den Regierungsentwurf hinaus.

Eigentlich ist so etwas nicht verwerflich; der Bundestag ist immerhin ein Verfassungsorgan, nach dem Wahlgesetz sogar noch ein wenig mehr durch den Volkswillen legitimiert als Regierung und Bundesrat. Es hat schon seine Richtigkeit, wenn ein Parlament nicht einfach alles abnickt, was vorgelegt wird. Oder sich darauf beschränkt, „nein“ zu sagen statt eigene Entwürfe und Vorstellungen einzubringen.

In diesem Fall aber ging es um ein sensibles Thema. Nämlich darum, daß es der Wirtschaft künftig erleichtert werden soll, Meldedaten zu erhalten. Einer ausdrücklichen Einwilligung des Bürgers bedarf es dazu nicht. (Dafür hat der Bürger ja ein Parlament gewählt, das für ihn einwilligt, nötigenfalls auch im Minutentakt.) Immerhin gibt es statt dessen ein Widerspruchsrecht. Das aber ist ausgehöhlt. Denn wenn die Wirtschaft Bürger Mustermann erst einmal erfaßt hat, kann der arme Kerl nichts gegen eine laufende Aktualisierung seiner personenbezogenen Daten machen. Da hilft es auch nichts, Jahr für Jahr umzuziehen. Der Flut unverlangter und vielfach unerwünschter Werbesendungen entgeht man so nicht.

Verständlich, daß die Datenschützer dagegen Sturm laufen.

Der größere Skandal als dieser Angriff auf die informelle Selbstbestimmung ist aber zweifellos die Art und Weise, wie das Gesetz zustande gekomen ist. Da tröstet es auch wenig, daß nach Expertenmeinungen der Bundesrat ihm nicht zustimmen wird und mithin eine neue Abstimmung erforderlich wird.

Vielleicht, wenn in zwei Jahren Fußball-Weltmeisterschaft ist…

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