Vor acht Jahren noch schaffte die NPD bei der Bundestagswahl 1,3 Prozent. Das ist natürlich auch kein wirklicher Herausreißer, vor allem weit entfernt davon, Abgeordnete in das Hohe Haus zu senden. Aber immerhin war eine „natürliche Zahl“ links vom Komma; das sieht schon ein wenig anders aus als „Null-komma-sowieso“. – Vier Jahre später war dann die Eins links vom Komma geschwunden und nur noch die null-Komma-vier geblieben. Und jetzt hat es gerade mal für 0,1 gereicht, also ganz hart an der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Oder, richtiger ausgedrückt: An der Schwelle, ab der eine Partei überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist, nämlich die rechnerische Null.
Bundesländer bekamen von der Parteizentrale irgendeine erkennbare Unterstützung für den bundesweiten Wahlkampf. Das ging alles nach Mecklenburg-Vorpommern, wo der Saarländer Frank Franz als Spitzenkandidat angetreten ist. (Na schön, da er wohl mindestens ein halbes Jahr vorher nach Mecklenburg-Vorpommern umgezogen ist, um dort antreten zu können, muß man ihn korrekterweise wohl als den Ex-Saarländer und Neu-Mecklenburg-Vorpommer bezeichnen.)
Schwerwiegende Kritik an dieser Ungleich-Verteilung wird es bei den Landesfürsten der NPD nicht gegeben haben. Der eine oder andere in dieser Partei hat auch seinen Clausewitz gelesen und weiß: „Nicht kleckern, sondern klotzen!“ Und sie wußten wohl alle, worum es ging: Nämlich um den Verbleib in der staatlichen Parteienteilfinanzierung. Dazu wären im Bund 0,5 Prozent nötig, die die NPD nicht einmal vier Jahre vorher (und auch nicht zwei Jahre vorher bei der Europa-Wahl) geschafft hat. Oder ein Prozent in Berlin, was genauso unrealistisch war. Oder eben ein Prozent in MVP, was immerhin möglich erschien.
Dieses parteiliche „Ein-Prozent-Projekt“ (nicht zu verwechseln mit der überparteilichen „Ein-Prozent-Bewegung“!) ist knapp gescheitert. Es wurden 0,8. Und damit bekommt die NPD ca. 350.000 Euro im Jahr weniger. Was eine ganze Stange Geld ist. Wenn der sattsam bekannte Links-Journalist Frank Jansen vom Berliner „Tagesspiegel“ jetzt behauptet, „höchstwahrscheinlich“ müsse die NPD auch für die ersten drei Quartale 2021 pro Vierteljahr 87.000 Euro zurückzahlen, dann ist recht fraglich, woher er diese „höchstwahrscheinliche“ Information hat. Entweder hat er das Parteiengesetz nicht richtig gelesen, oder aber ein Informant von fragwürdiger Qualität hat ihm einen Floh ins Ohr gesetzt. Als gelegentlicher offizieller Hygiene-Beauftragter für Parteitage ist meine persönliche Empfehlung: So ein lästiges Insekt im Ohr kann man gut bekämpfen, wenn man Sagrotan oder Sterillium nimmt! Vorsichtig einträufeln, damit das Trommelfell keinen Schaden nimmt!
scheint sich das in diesen anderthalb Jahren tatsächlich überlegt zu haben. Oder man wollte einfach abwarten, ob sich nicht eine andere Gelegenheit ergibt, die man auch den Zweiflern und Namens-Nostalgikern besser verkaufen kann.
Natürlich wird die NPD nicht verschwinden, wenn sie sich auflöst. Schon Michael Kühnen – der von der NPD ähnlich wenig hielt wie umgekehrt sie von ihm – pflegte zu sagen, man kann Organisationen verbieten, aber nicht die Menschen, die hinter ihnen stehen, die sie getragen haben. – Und sollte sich eine Partei wie die NPD mit ihren geschätzt derzeit rund 3.500 Mitgliedern tatsächlich auflösen, kann man mindestens das Finanzvolumen der staatlichen Parteienteilfinanzierung darauf wetten, daß sich alsbald mit mehr oder minder den gleichen Leuten eine Partei unter neuem Namen gründet. Und nach dem Prinzip, „neuer Name, neues Glück“ als erste Amtshandlung wieder in einem Bundesland mehr als ein Prozent zu bekommen versucht; beispielsweise im Herbst 2022 in Niedersachsen. Für die dann Ex-NPD eine Art von Revival: Immerhin wurde sie 1964 in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover gegründet.
Da hätte man dann aus der Not eine Tugend gemacht. Das ist – anders als das Clausewitzsche „nicht kleckern, sondern klotzen“ – kein anerkannter militärischer Grundsatz, aber es hat sich in fünftausend Jahren aufgeschriebener menschlicher Geschichte mehr als einmal bewahrheitet. Und wenn man es genau nimmt, gibt es dafür auch historische Beispiele. Wer weit genug zurückgehen will, erinnert sich, daß ein gewisser Herr Adolf Hitler 1919 in eine „Deutsche Arbeiterpartei“ (DAP) eingetreten ist, die erst zwei oder drei Jahre später in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) umbenannt wurde und dann gerade mal ein Dutzend Jahre später das Kanzleramt eroberte. (Damit ist nicht der Zweckbau in Berlin gegenüber dem Reichstag gemeint, sondern das Amt des Reichskanzlers.) Aber auch abseits dieses für viele wohl anstößigen Vergleiches hätten wir da noch eine andere namensmäßige Metamorphose zu bieten, für die man nicht rund hundert Jahre zurückgehen muß, sondern die aus der jüngeren Geschichte stammt. Aus der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) der in den Jahren 1989 / 1990
untergegangenen ehemaligen DDR wurde zunächst die „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS), zeitweilig auch noch fusioniert mit einer ominösen WASG, bis sie dann schließlich zu dem Namen fand, mit dem sie dank sogenannter Grundmandate diesmal auch mit 4,9 Prozent im Bundestag gelandet ist. Und sogar einen Ministerpräsidenten stellt. DIE LINKE.
So was kann also eine namensmäßige Modernisierung bewirken.
Also bleibt ungewiß, zu welcher Entscheidung es kommen wird. Der Bundesvorsitzende, in Personalunion Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, Frank Franz, hat auf der Seite des Landesverbandes beklagt, daß die 0,8 nicht im entferntesten ausreichten, (wieder) im Landtag des nordöstlichen Bundeslandes vertreten zu sein. Von der recht unangenehmen Folge für seine ganze Bundespartei hat er auf dieser Seite kein einziges Wort verloren. Na, immerhin muß man ihm zugute halten, daß er anders als der Wahlverlierer Laschet nicht das Kanzleramt für sich reklamiert hat. Auch wenn er aus taktischen Gründen den Verlust der Parteienfinanzierung zumindest zeitweilig totschweigen will, scheint er den Realitätsbezug noch nicht vollends verloren zu haben.
In der eingangs erwähnten Vorabend-Serie folgen nicht nur auf gute Zeiten schlechte Zeiten, sondern im ewigen Wechsel auch auf die schlechten Zeiten dann wieder mal gute Zeiten. Ob das für die NPD – oder ihren möglichen Nachfolger – auch gilt, bleibt abzuwarten.
Leave your comment to Cancel Reply