Die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte genießen in der BRD einen besonders hohen Stellenwert. Daher haben sich die Väter des Grundgesetzes (zusammen mit einer winzigen Handvoll Mütter des Grundgesetzes) die Mühe gemacht, Artikel 18 zu formulieren. Dieser Lautet:

„Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.“

Es hat in der Rechtsgeschichte der BRD erst vier Anträge gemäß dieser Vorschrift gegeben: in den 50-er Jahren gegen den Stellvertretenden Vorsitzenden der „Deutschen Reichspartei“, Generalmajor a.D. Otto Ernst Remer; in den späten 60-ern oder frühen 70-ern gegen den den Herausgeber der „Deutschen Nationalzeitung“, Dr. Gerhard Frey, sowie Anfang der 90-er gegen zwei eigentlich eher weniger bedeutende Aktivisten, Thomas Dienel (der sich später übrigens als V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppte) und Heinz „Nero“ Reisz.

Alle diese vier Verfahren scheiterten.

Es mag Behörden und Politiker geben, die es lästig finden, Oppositionelle nicht einfach nach Artikel 18 mundtot machen zu können, weil das Verfassungsgericht hierfür extrem hohe Hürden gesetzt hat.

Also wird es anders versucht.

Am vergangenen Sonnabend fand in Wuppertal eine Demonstration statt, die sich gegen Krieg und Kapitalismus richtete; es war eine Vorfeld-Demonstration des Nationalen Antikriegestages am 1. September in Dortmund. Ein Versuch, diese zu verbieten, war wenig aussichtsreich, denn Anmelder war der örtliche NPD-Kreisverband. Aber die Wuppertaler Polizei ließ sich etwas anderes einfallen. Um zu verhindern, daß ein als Redner vorgesehenes angebliches Mitglied des zwei Tage vorher verbotenen „Nationalen Widerstandes Dortmund“ auftrat, wurde dieser zur vermeintlichen Verhinderung eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in Gewahrsam genommen.

Damit maßt sich die Polizei Wuppertal an, was ausschließliches und alleiniges Recht des Bundesverfassungsgerichts ist. So etwas nennt man Verfassungsbruch. Es ist nur zu hoffen, daß der Betroffene dagegen mit allen zulässigen rechtlichen Mitteln vorgeht.

Im übrigen zeigt der Vorfall, daß es bei den am Donnerstag ausgesprochene Vereinsverboten ganz offensichtlich auch darum geht, mindestens auf einem Umweg das Versammlungsrecht aushebeln und einschränken zu wollen. Auch das muß als Verfassungsbruch gewertet werden, und auch dagegen ist strikter juristischer Widerstand erforderlich.

Quelle:

http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/11811/2313083/pol-w-120825-1-w-wuppertaler-zeigten-protest-gegen-rechten-demo

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