Der Mensch ist ein Herdentier – überwiegend. Abgesehen von seiner mehr oder minder großen Intelligenz fällt er im Tierreich auch noch in anderer Hinsicht auf. Ursprünglich ein reiner Pflanzenfresser, entwickelte er Geschmack an tierischer Nahrung und wurde damit zum Allesfresser, zum Omnivoren. Deshalb ist der Drang nach Herdenwärme und Stallgeruch stark ausgeprägt, aber nicht allein beherrschend.

Das merkt man wieder einmal beim diesjährigen Sommertheater.

Olympia ist vorüber, das Ungeheuer von Loch Ness interessiert nun wirklich niemanden mehr, und auch die Euro-Krise ist so permanent, daß sie einem zum Halse heraushängt. Also müssen Politiker und Journalisten wieder ein Stück tiefer in die Mottenkiste greifen, um während Urlaubs- und Ferienzeit und auf dem Höhepunkt der Hundstage dem Publikum etwas zu bieten.

Da hätten wir doch noch das NPD-Verbot. Ein Dauerbrenner seit über vierzig Jahren, schon angestaubt, aber trotzdem ein Evergreen. Man kann damit in der etablierten Landschaft von Politik und Medien überhaupt nichts falsch machen. Natürlich sind alle dafür, aber die einen eben ein bißchen mehr und die anderen ein bißchen weniger. Wobei die, die ein bißchen weniger dafür sind, es nicht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus sind, sondern nur wegen der Frage, klappt’s oder klappt’s nicht? Eine nachvollziehbare Frage, weil es bekanntlich schon einmal nicht geklappt hat.

Um der Endlos-Debatte mal wieder ein wenig Schwung zu verleihen, hat Bayerns Ministerpräsident Seehofer einen Vorstoß gemacht: Nötigenfalls solle der Bundesrat allein einen Vorstoß wagen. Gewissermaßen fraktionsübergreifend haben Ministerpräsidenten (beziehungsweise -präsidentinnen) anderer Länder zugestimmt, egal, ob CDU oder SPD. Es ist doch schön, wenn man den Stallgeruch hat. Besonders bei heißem, trockenen Wetter kann er noch viel intensiver sein und löst damit wahrscheinlich Glücksgefühle aus, Endorphine, Serotonin und wie all diese Produkte der hirneigenen Chemie heißen.

Allerdings mag das Wohlbefinden auch abhängig von der Größe eines Stalles sein.

Da melden sich dann gleich Kritiker, die meinen, es sähe doch besser aus, wenn alle drei infragekommenden Verfassungsorganie – Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat – den Verbotsantrag gegen die NPD stellen würden und nicht allein die Länderkammer.

Bildet sich eigentlich jemand ein, das Verfassungsgericht sei damit zu beeindrucken, daß es ein paar mehr Antragsteller gibt? Bildet sich jemand ein, Mehrheiten außerhalb des Gerichts seien bedeutsam für die Beurteilung einer abstrakten oder auch konkreten Rechtsfrage?

Nein, das diesjährige Sommertheater dient nur einem politischen, einem deklamatorischen Zweck: Gebetsmühlenartig Feststellungen in der Medienlandschaft zu streuen, die zu treffen aus guten Gründen nicht der Politik, sondern nur einem einzigen besonderen Gericht zusteht.

Man möchte langsam glauben, der wesentliche Unterschied zwischen bundesdeutschen Politikern und tibetanischen Mönchen mit ihren Gebetsmühlen besteht ausschließlich in der Bezahlung. Die bundesdeutschen Politiker werden bekanntlich gut bezahlt, während tibetanische Mönche höchst genügsam in Armut leben.

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