Die blau-gelbe Koalition in Niedersachsen könnte sich in einem halben Jahr erledigt haben. Nach einer FORSA-Umfrage im Auftrag des Magazins STERN kann die CDU mit 38 Prozent rechnen, weniger als bei der letzten Wahl, aber sie wäre damit noch immer stärkste Partei. Bei der FDP aber sind es nur 4 Prozent, was zu einem Landtagseinzug nicht reichen würde. Mit dem gleichen Umfragewert könnte die Linkspartei aus dem Landtag fliegen, in dem sie mit ihren 7,1 Prozent vom letzten Mal sitzt.

Damit wäre eine Dreier-Koalition von SPD, GRÜNEN und Piratenpartei möglich oder eine rot-grüne Minderheitenregierung mit Duldung der Piraten. Ebenso möglich, aber wohl weniger wahrscheinlich wäre eine Große Koalition oder aber eine schwarz-grüne Koalition.

Schöne Aussichten für die Piraten – die in der Umfrage mit 7 Prozent veranschlagt werden – , sich direkt oder zumindest durch Duldung indirekt an einer Landesregierung beteiligen zu können.

Vorausgesetzt natürlich, sie schaffen es irgendwann noch einmal, eine Landesliste aufzustellen. Am vergangenen Wochenende scheiterte der zweite Anlauf, ebenso wie der erste an formalen Fragen. Diesmal waren Minderjährige als Parteitagsdelegierte akkreditiert gewesen. Die meisten Parteien nehmen zwar Menschen bereits ab 16 Jahren auf, vergessen aber, daß 16- oder 17-jährige noch nicht an Landtagswahlen teilnehmen dürfen und daher auch nicht darüber mitbestimmen dürfen, wie sich eine Landesliste ihrer Partei zusammensetzt. Jetzt wollen die Piraten Ende August den nächsten Anlauf unternehmen. Wobei ihnen wie beim ersten und zweiten Mal ein „Querulant“ im Nacken sitzt, der bereits angekündigt hat, das Ergebnis eines jeden Parteitages auf formelle Fehler gründlich zu prüfen und ihn gegebenenfalls anfechten zu wollen.

Auch in anderer Hinsicht verlief der Parteitag ein wenig chaotisch, zumindest im Vorfeld.

Genervt von aufdringlichen Pressevertretern, die früher schon einmal die Bildschirme der Laptops von Parteitagsteilnehmern fotographiert oder auf Film aufgenommen hatten, wollten die Piraten einen Teil des Sitzungssaales zur „no-go-area“ für Medienvertreter machen. Sie haben den Grund ihrer Absicht aber ebenso wie die genaue Ausführung nicht sonderlich gut kommuniziert. So wenig gut, daß manches Presseorgan den anstehenden letzten Parteitag sogar mit denen der NPD verglich, bei denen es schon mal passieren kann, daß die Medien für ganze Debatten ausgeschlossen werden, wenn man befürchtet, es könnte zu Kontroversen kommen. Ein wenig schmeichelhafter Vergleich für eine Partei, die sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat. Praktisch aber war es dann weniger schlimm – etwa ein Drittel des Saales wurde mit beschriftetem Klebeband auf dem Fußboden zur „privaten Zone“ erklärt, und wer nicht jeden Pickel in seinem Gesicht in Großaufnahme abgelichtet sehen wollte, konnte sich dorthin zurückziehen. Ansonsten war die Berichterstattung völlig uneingeschränkt.

Trotzdem, all solche Kleinigkeiten führen natürlich zur „Entzauberung“ der neuen Protestpartei. Und ob aus der für sie günstigen Umfrage in knapp einem halben Jahr dann auch ein entsprechendes Wahlergebnis wird, ist damit noch offen.

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