Klage wegen Fahnenauflage eingereicht!

Wie wir berichtet haben, wurde uns für die Demonstration am 1. Mai in Dortmund vor Ort die Auflage erteilt, es dürften nicht mehr als 20 Fahnen, verteilt über den ganzen Demonstrationszug, gezeigt werden, und diese dürften auch nicht in einem Winkel von 45 Grad gezeigt bzw. getragen werden.

Bereit am 2. Mai wurde die Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen, letztlich vertreten vom Polizeipräsidium Dortmund, wegen dieser Auflagen verfaßt, und tags darauf dem zuständigen Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zugeschickt.

Der § 18 des neuen Nordrhein-Westfälischen Versammlungsgesetzes verbietet unter anderem „ein paramilitärisches Auftreten“. Wie Gesetzgeber das nun mal so an sich haben, ist das eine schwammige Formulierung, die offenbar einen möglichst breiten Raum für Interpretationen bieten und bei Veranstaltern und Teilnehmern für Verunsicherung sorgen soll. Pech nur, daß vermutlich kein einziger der Abgeordneten im Landtag von Düsseldorf jemals Paramilitär war oder eine paramilitärische Ausbildung erhalten hat….. (Sie hätten jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt….)

Paramilitärs pflegen in Uniformen aufzutreten, was nach den Versammlungsgesetzen (sowohl dem alten des Bundes als auch dem neuen des Landes Nordrhein-Westfalen) sowieso untersagt ist. Die Faustregel ist: Keine Uniform, kein Paramilitär! Das ist so ähnlich wie mit dem Arzt im Krankenhaus. Trägt er keinen weißen Kittel, wird er nicht als Arzt wahrgenommen, und wenn er tausendmal eine Approbation hätte oder gar einen Doktorgrad in Medizin. Kein weißer Kittel, kein Arzt. Fundamental. Keine Uniform – kein Paramilitär. Genauso fundamental!

Darüber hinaus boten die ungefähr fünfzig Fahnen, die die Teilnehmer anfangs (vor Erlaß der besagten Auflage) zeigten, ein ausgesprochen buntes Bild. Knapp mehr als die Hälfte davon waren Fahnen in den Reichsfarben schwarz-weiß-rot. Der Rest war bunt zusammengewürfelt. Da waren die Fahnen unserer bulgarischen Kameraden. Da waren zwei Staatsfahnen Ungarns. Da war die französische Trikolore, und da war eine Fahne des Königreichs der Niederlande. Es gab eine Vielzahl von Fahnen der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (Früher: „Junge Nationaldemokraten“), so ungefähr sieben oder acht Stück, und auch eine Fahne ihrer Mutterpartei, der NPD. Und dann waren da noch zwei Fahnen in schwarz und gelb, von denen der Verfasser bisher nicht hat ermitteln können, was es für welche waren. (Bekannt ist nur, daß es keine Fahnen des BVB Borussia waren, was beim Veranstaltungsort Dortmund eigentlich doch irgendwie angemessen gewesen wäre…)

Paramilitärs pflegen nicht mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Fahnen aufzumarschieren, sondern mit einer einheitlichen.

Geradezu lachhaft war auch die Auflage, diese Fahnen (wohl richtiger: die Fahnenstangen) dürften nicht in einem Winkel von 45 Grad getragen werden.

Berechtigterweise fragte ein Teilnehmer, ob man künftig zu Demonstrationen einen Winkelmesser wie aus dem Geometrie-Unterricht mitnehmen müsse, um festzustellen, welchen Winkel zum Erdboden denn nun die Fahnenstangen hätten. Wobei hiesiger Meinung nach ein Winkelmesser (oder Winkeldreieck) für das Ausmessen eines dreidimensionalen Ereignisses weniger geeignet wäre. Vielleicht käme dafür ein Sextant infrage, wie ihn früher die christliche Seefahrt zur Bestimmung des Schiffsortes verwendet hat, bevor modernes GPS den Sextanten in die Mottenkiste bzw. in die nautische Abteilung einschlägiger Museen verbannt hat….

Auch da zeigte die Polizei Dortmund ein beklagenswertes Verständnis militärischer oder eben auch paramilitärischer Verhaltensweisen.

Bis zum Ersten Weltkrieg oder vielleicht auch in den Freikorps-Kämpfen nach Ende des Ersten Weltkrieges war es nicht unüblich, daß Sturmsoldaten im Angriff eine Fahne vorangetragen wurde, und deren Stange war dann schräg in Richtung Feind gerichtet, möglicherweise in einem Winkel von 45 Grad, wenn sich beim Sturmangriff überhaupt jemand Gedanken um einen Winkel gemacht hat…. Später kam es auf den Schlachtfeldern aus der Mode, eine Fahne voranzutragen – die war ja ein geeignetes Ziel für feindliche Schützen, und je feuerkräftiger die Truppen (beispielsweise mit Maschinengewehren) wurden, desto weniger mochte der Angreifer ein erkennbares Ziel bieten…. – Paramilitärs haben vielleicht keine so gründliche regulär militärische Ausbildung wie richtige Militärs, deshalb sind sie ja auch nur „Para“ und nicht „echt Militär“, aber ein bißchen was verstehen sie schon davon. Der moderne Paramilitär (beispielsweise von „Blackwater“ oder „Group Wagner“) verwendet in Einsatzsituationen ohnehin keine Fahne mehr….

Also werden wir mit Hilfe des Verwaltungsgerichts der Polizei Dortmund ein bißchen Nachhilfeunterricht darüber erteilen müssen, was denn nun „paramilitärisch“ ist und was nicht.

Das ist irgendwie lustig; denn wenn irgendeine der an der Demonstration vom 1. Mai beteiligten Gruppen auf den unbefangenen Beobachter einen paramilitärischen Eindruck gemacht hat, dann wäre es wohl am ehesten die Polizei mit ihren Uniformen und Helmen und Waffen und anderen Attributen gewesen.

Aber wenigstens, und das wollen wir insofern zu ihren Gunsten mal erwähnen, ist die Polizei nicht im Gleichschritt marschiert. Sonst hätten wir sie nicht nur wegen unhaltbarer Auflagen verklagen müssen, sondern sogar wegen eines offenen Gesetzesverstoßes.

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