Der Fall des unter Kinderporno-Verdacht stehenden Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy offenbart einen Sumpf. Und zwar weniger bezüglich des eigentlichen Verdachts oder des höchst unappetitlichen Themas Kinderpornographie, sondern mehr in der Art, wie vertrauliche Amtsgeheimnisse weitergegeben werden und damit Ermittlungsergebnisse gefährdet werden.

Zunächst einmal folgendes: Den Medien ist zu entnehmen, daß die Durchsuchungen in mehreren von dem Verdächtigen genutzten Objekten (Wohnungen und Büros) wenig Ergebnisse brachten. Tatwerkzeug sind in solchen Fällen nicht mehr die seit Jahrzehnten aus der Mode gekommenen Schmuddelheftchen mit Hochglanzpapier oder Photoabzüge, sondern das läuft inzwischen alles elektronisch, über Computer. Gerade aber die beschlagnahmten Computer waren wenig ergiebig. Vereinzelt hatten sie nicht einmal eine Festplatte, ohne die ein Computer bekanntlich nur ein nutzlose Staubfänger ist, teilweise waren die Festplatten gelöscht oder beschädigt. Da scheint also jemand gewußt zu haben, daß eine Durchsuchung auf ihn zukam, wenn Herr Edathy nicht so eine Art „Messie“ ist, der gern Computerschrott sammelt.

Und nun wird bekannt, daß die Führungsspitze der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) schon vier Monate vor der Durchsuchung gegen ihren Genossen Edathy wußte, daß dieser unter entsprechendem Verdacht stand. Und der Informant war niemand geringerer als der damalige Bundesinnenminister Friedrich (CSU), heute Minister für Landwirtschaft und Ernährung.

Diese Information habe sein Parteivorsitzender Gabriel von dem Ex-Innenminister und Jetzt-Landwirtschaftsminister bekommen, räumte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann in einer schriftlichen Erklärung ein. Er selbst, Oppermann, habe sich vorsichtshalber dann noch mal beim Chef des BKA vergewissert, ob das wirklich so sei. Laut Oppermann habe BKA-Chef Ziercke das bestätigt. Herr Ziercke allerdings möchte nichts bestätigt haben; er möchte sich Herrn Oppermanns Mitteilung nur angehört haben, ohne dazu ja gesagt zu haben. (Und wahrscheinlich auch, ohne dazu nein gesagt zu haben.)

Führende Rechtsexperten wie Prof. Ulrich Battis (Uni Berlin) oder Prof. Christoph Degenhart (Uni Leipzig) sehen das skeptisch. Sie meinen, Friedrich habe diese Information nicht weitergeben dürfen; das sei wohl Verletzung des Amtsgeheimnisses. Ermittler werden nach Medienberichten deutlicher. Sie sehen den damaligen Innenminister hart am Rande der strafbaren „Strafvereitelung“. Daß Herr Friedrich sich aber auf einen Prozeß einstellen muß, ist nicht so furchtbar wahrscheinlich. Bei (der auch strafbaren) Verletzung des Amtsgeheimnisses müßte es eine sogenannte Ermächtigung für die Verfolgung geben, und bei Strafvereitelung müßte ihm Vorsatz nachgewiesen werden; fahrlässige Strafvereitelung gibt es leider nicht.

Vom Ablauf der Dinge her dürfte aber so gut wie klar sein, daß Sebastian Edathy vor der Durchsuchung seiner Anwesen von dem Verdacht wußte. Offenbar hat er sein Bundestagsmandat niedergelegt, um einer formalen Aufhebung der parlamentarischen Immunität, die Voraussetzung für reguläre Ermittlungen oder gar eine Durchsuchung wäre, zuvorzukommen. Und da absehbar war, daß kurz darauf ein Durchsuchungsbefehl ergehen und vollstreckt werden würde, war er zum Zeitpunkt der Durchsuchung praktischerweise im europäischen Ausland (SPD-Kreise meinen, in Dänemark), was für ihn den Vorteil hatte, sich keine unbequemen Fragen von Polizeibeamten anhören zu müssen und sein Nervenkostüm zu schonen.

Nun, angesichts des Sumpfes, der sich da auftut, wird wohl nicht nur Herr Edathy ein gutes Nervenkostüm brauchen, sondern auch ein paar Spitzengenossen der SPD, und zweifellos auch jemand, der sich wohl nicht gern Genosse nennen lassen würde: Der so schön redselige Herr Friedrich von der CSU. Ob rot, ob schwarz – da hat die „Gemeinschaft der Demokraten“ offenbar mal wieder richtig schön funktioniert. Und das, wo es diesmal doch gar nicht „gegen rechts“ ging.

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