Die Bundeskanzlerin hat es dieser Tage schwer. Wo immer sie auf ihrer Wahlkampftour auftritt – nicht nur im Osten der Republik! – bläst ihr der Wind mitten ins Gesicht. Pfeifkonzerte und „hau-ab“-Rufe, die selbst von starken Lautsprecheranlagen nicht mehr zu übertönen sind, und hin und wieder sogar mal ein Tomatenwurf! Nichts, was wir bei unseren Demonstrationen nicht in noch viel drastischerer Form kennen. Aber für die Frontfrau der CDU zweifellos eine völlig neue Erfahrung!
Um so bizarrer ist es für uns, wenn angemeldete öffentliche Kundgebungen nahezu völlig ungestört bleiben, wie es am Wochenende 9. und 10. September im Großraum Karlsruhe geschehen ist.
Die erste Veranstaltung der Tour war in Gaggenau, ca. 29.000 Einwohner. Von der Polizei war wenig zu sehen. Ein Streifenwagen fuhr ungefähr jede Viertelstunde einmal gemächlich die Straße am Ende der Fußgängerzone entlang. Beschwerden einzelner Anwohner oder richtiger Betreiber von örtlichen Geschäften richteten sich ausschließlich gegen die Lautstärke unserer Anlage. Die war allerdings zugegebenermaßen ein wenig laut aufgedreht, weil wir die günstige Gelegenheit nutzen wollten, die Personen bei einem über 100 Meter entfernten Info-Stand der CDU gleich mit zu beschallen… (Auch das für die CDU eine eher völlig neue Erfahrung!) Als Störer trat nur ein einzelner Mann auf, der versuchte, den Redner Sascha Krolzig während dessen Rede anzuquatschen. Als sich ihm drei Kameraden höflich, aber entschieden in den Weg stellten, pöbelte er herum, das seien ja Nazi-Methoden. Ein wenig verwirrt war er schon, als wir ihm klarmachten, sogenannte „Nazi-Methoden“ seien es eher, den Redner während seines Vortrages zu stören; aber wenn er ihm was sagen wolle, könne er das gern tun, sobald dieser seine Rede beendet hätte. Nach dem Ende von Sascha Krolzigs Rede war der gute Mann allerdings nicht mehr zu sehen…
Weiter ging es nach Malsch im Landkreis Karlsruhe, mit rund 14.000 Einwohnern ziemlich genau halb so groß wie Gaggenau.
Hier war die Ordnungsmacht ein wenig aktiver. Die vier Parkplätze auf dem eher beschaulich kleinen Platz waren vom Ordnungsamt mit Flatterband abgesperrt, „wegen Veranstaltung am 9.9. von 10.00 bis 16.00 Uhr“. Auch waren zwei uniformierte Polizeibeamte anwesend, die sich während des größeren Teils der Versammlung 40, 50 Meter entfernt um die Ecke außer Sicht befanden. Weil es bereits nach 12.00 Uhr war, war das Publikum in Malsch allerdings spärlicher als in der gut besuchten Fußgängerzone von Gaggenau. Störer traten überhaupt nicht auf.
Die nächste Station war Waldbronn, etwa 12.000 Einwohner. In Waldbronn lief die Kundgebung bereits rund eine Viertelstunde, bevor auch nur ein einziger Polizist zu sehen war. Genaugenommen waren es zwei; eine Streifenwagenbesatzung, und sie war ein wenig verwundert, daß dort fünfzehn Personen mit Lautsprecherwagen, Transparenten und Fahnen eine öffentliche Versammlung durchführten. Die zuständige städtische Behörde hatte offenbar versäumt, die Polizei in Kenntnis zu setzen…. Die Irritation der Polizeibeamten konnte rasch beseitigt werden, indem ihnen nicht nur die Anmeldung, sondern auch die amtliche Anmeldebestätigung vorgelegt wurde.
Störer traten in Waldbronn nicht auf.
Die letzte Veranstaltung am Sonnabend war in Karlsruhe-Durlach. Als wir das letzte Mal in Durlach waren – am Tag der Deutschen Zukunft – , war der Stadtteil und vor allem die Region am Bahnhof eine wahre Polizeifestung, mit hunderten von Beamten, Wasserwerfern und Räumgerät. Diesmal war kein einziger Polizist zu sehen. Erst nach einer halben Stunde, kurz vor dem Ende der Versammlung, traf ein Streifenwagen ein. Auch diese Beamten waren von der Stadt Karlsruhe nicht in Kenntnis gesetzt worden, daß da eine öffentliche Versammlung angemeldet worden war…
In Durlach trat zur Abwechslung wieder ein Störer auf, richtiger eine Störerin, eine ältere Dame mit einer Kinderrassel. Begleitet wurde sie von ihrem Mann, der seinerseits allerdings nicht als Störer auffiel, sondern möglicherweise eher Aufpasser für seine Frau war… Weil sowohl die Rassel als auch ihre etwas monotonen „haut-ab“-Rufe uns nun nicht wirklich störten, zog die gute Frau samt männlicher Begleitung nach wenigen Minuten offenbar frustriert ab.
Aus Neugier hinterließen wir nach dem Ende der Veranstaltung Beobachtungskräfte. Durlach, das selbst rund 30.000 Einwohner hat, gehört immerhin zur Großstadt Karlsruhe, einer Stadt mit einer großen und aktiven linken Szene, und ist gerade mal ein halbes Dutzend Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt. Tatsächlich trafen nach einiger Zeit noch ein paar Linke ein, die möglicherweise weitergehende Absichten hatten, als nur mit einer Kinderrassel herumzuspielen und „haut ab!“ zu rufen. Sie müssen sich ein wenig geärgert haben, gewissermaßen ins Leere gestoßen zu sein.
Am nächsten Tag war dann Eppingen dran, etwa 22.000 Einwohner. Hier war die Ordnungsmacht präsenter als bei den vorherigen Veranstaltungen: Zwei uniformierte Polizisten sowie das Ordnungsamt mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin. Als Störer trat ein offenbar betrunkener und ziemlich heruntergekommener Mann auf, der von der Polizei einen Platzverweis bekam und danach aus einer Entfernung von 60, 70 Metern weiterpöbelte. Dazu hatten wir noch einen jungen Schwarzen, der sein Mißfallen zweimal durch einen lauten Pfiff kundtat. Zu ihm gesellte sich zeitweilig ein zweiter, der offenbar auch zur Sorte „MUFL“ (minderjähriger unbegleiteter Flüchtling) zählte. Der zweite konnte entweder nicht pfeifen oder wollte nicht. Gewissermaßen als Ausgleich bekamen wir dafür Kontakt mit einigen nicht organisierten radikalen Rechten.
Insgesamt also eine gelungene Tour, nach dem Motto: Wir können auch normal!
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