Bester Laune und, nach der gelungenen Demonstration im Vorjahr in Erfurt, äußerst vorfreudig machten sich unsere Mitglieder am Vormittag des 1. Mai auf den Weg nach Halle an der Saale. Die Anreise verlief weitgehend störungsfrei, allerdings erfuhren wir schon unterwegs von Repressalien seitens der Polizeiführung gegen die Demonstration, also legten wir einen kleinen Zwischenstopp ein, um abzuwarten, ob Verhandlungen mit den Ordnungshütern erfolgreich enden.
Trotz der bis dahin noch unklaren Lage entschieden wir uns nach ca. einer Stunde, die Fahrt nach Halle fortzusetzen, um pünktlich am Veranstaltungsort einzutreffen. Dort angekommen, offenbarte sich das gesamte Ausmaß der widerrechtlichen Handlungsweise durch Polizei und Ordnungsbehörden. Ein abgesperrter Bereich vor dem Bahnhofsgebäude sollte als „Sammelstelle“ für ankommende Demonstrationsteilnehmer dienen. Genug Platz für die mehreren hundert Anreisenden bot sich hier keinesfalls, so stand man eng aneinander gedrängt vor und im Bahnhof.
Um dem zu entgehen und auf das vorgesehene Veranstaltungsgelände zu gelangen, wurde seitens der Polizei eine schmale Gasse zum Kundgebungsort aufgebaut, in der man sich einer Personenkontrolle unterziehen sollte, bevor man durchgelassen werde. Hier sahen wir einen klaren Rechtsbruch seitens der Ordnungs- und Polizeibehörden und verweigerten die Kontrolle. Vielleicht hilft es den regelwütigen Beamten, die Lesebrille aufzusetzen und etwas Nachhilfe in Sachen Gesetzgebung zu genießen:
Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes lautet wie folgt: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Und ja, auch die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes sind uns bestens bekannt. Noch dazu handelte es sich bei der Veranstaltung um eine ordnungsgemäß angemeldete, gut organisierte und vorbereitete Demonstration.
Nun standen wir innerhalb der Absperrungen und warteten darauf, daß Verhandlungen mit Polizeiführung und Ordnungsbehörden zu einem annehmbaren Ergebnis führten. Über die sozialen Netzwerke erfuhren wir von Blockaden der angemeldeten und genehmigten Demonstrationsroute, die weder verhindert noch effektiv durch die Schutzmänner geräumt wurden. Aber daran, die Demonstration stattfinden zu lassen, schienen die Staatsdiener nicht zu denken. Wir beschlossen, das Gelände zu verlassen und den Heimweg anzutreten, aber auch das wurde uns mit der fadenscheinigen Ausrede, die Bahn könnte keine größeren Menschenmengen befördern, untersagt und so wurden wir im Bahnhofsgebäude und auf dem Vorplatz festgehalten. Der klaren Provokation und dem Freiheitsentzug begegnete die eingesperrte Masse mit lautstarkem, aber friedlichem Protest.
Durch die Lautsprecher des Führungsfahrzeuges der Polizei vernommen wir, daß jegliche Ersatzveranstaltung im Bundesland Sachsen-Anhalt verboten worden sei, was einen erneuten Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellte. Man bot an, eine Standkundgebung am Veranstaltungsort durchzuführen, gleichzeitig fuhr ein Wasserwerfer vor und die staatlichen Knüppeltruppen vermummten und behelmten sich.
Nachdem der Protest unsererseits nicht abbrach, scheint der zuständige Polizeiführer dann doch genug von uns gehabt zu haben und ließ uns zum Bahnsteig leiten, wo uns plötzlich, trotz der vorherigen Aussage, die Bahn könnte das nicht bewerkstelligen, ein Zug erwartete, der uns tatsächlich befördern konnte. Wir finden es sehr schade, daß die Arbeit von engagierten Aktivisten, die ein ganzes Jahr auf diesen Tag hingearbeitet haben, durch Repressionen und Willkür dermaßen boykottiert wurde und wünschen den Kameraden der Initiative „Tradition verpflichtet!“ weiterhin viel Mut und Tatkraft. Auch im nächsten Jahr wird es einen Arbeiterkampftag geben und auch dann werden wir keine Mühen scheuen, euch zu unterstützen.
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