Die Macht des Schwarms

Winfried Kretschmann hat in ein Fettnäpfchen getreten. Auf dem Flughafen Berlin-Tegel htte er trotz anderslautender Vorschrift „kurz“ keinen Mund-Nase-Schutz getragen. Dafür hat er sich dann auf seiner Facebook-Seite entschuldigt. Und ganz polit-korrekt meinte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, dann noch hinzufügen zu müssen: „Seit vielen Monaten kämpfen wir mit Corona. Und es ist noch nicht vorbei“ Er rügte, daß sich das in manchen Kommentaren auf seiner Facebook-Seite anders anhöre, und man müsse die Schutzmaßnahmen nicht mehr so ernst nehmen. Dazu meinte Kretschmann: „Ich sage Ihnen ehrlich: Solche Kommentare bereiten mir echte Sorge.“

Das löste einen – wie man es neudeutsch so schön nennt – Shitstorm aus. Binnen 20 Stunden gab es 4000 (in Worten: Viertausend) Postings, teilweise im Sekundentakt. Es sollen „Falschaussagen, Verschwörungserzählungen, Drohungen, Beleidigungen und andere strafrechtlich relevante Inhalte“ gewesen sein. Die Pressestelle des Staatsministeriums sah sich genötigt, die Facebook-Seite vom Netz zu nehmen. Ein normaler Betrieb der Seite sei nicht mehr möglich gewesen. Nicht, daß wir Beleidigungen oder Drohungen (oder andere strafrechtlich relevante Inhalte) sonderlich begrüßenswert finden; sowas sollte man als verantwortungsbewußter Mitmensch unterlassen. (Sogar dann, wenn diese Postings bei Facebook möglicherweise anonym sind oder wegen ihrer schieren Zahl nicht mehr nachvollzogen werden können.)

Trotzdem ist es schön zu sehen, wie an der reinen Zahl von Beiträgen selbst die Seite eines der Machthaber unseres Landes einknickt. Man spricht bei solchen Massenprozessen – gerade dann, wenn sie im Internet stattfinden – vom „Schwarm“ oder sogar von einer „Schwarmintelligenz“. Da ist schon irgendwie was dran. Und das ist ja nun gar nicht so falsch. Eine Demokratie beruht – mindestens angeblich –
ja auf Massenprozessen. Und die Herrschenden berufen sich gern darauf, daß die Masse der Wähler sie ja gewählt hat. (Was übrigens 1933 auch für Adolf Hitler – im Bündnis mit der deutlich kleineren Deutsch-Nationalen Volkspartei des Medienmoguls Hugenberg – gegolten hat; und ganz nebenbei auch für Männer wie Benito Mussolini oder Franco in Spanien.) Und 4.000 Menschen sind noch nicht mal in der Baden-Wüttembergischen Hauptstadt Stuttgart eine Mehrheit, wenn es um Kommunalwahlen geht. Aber sie können eben etwas bewirken. Und das nicht allein alle vier oder fünf Jahre an der Wahlurne, sondern auch zwischendurch, wenn eine Staatskanzlei sich veranlaßt sieht, die Facebook-Seite ihres Ministerpräsidenten dicht zu machen.

Also: Es lebe der Schwarm!

DIE RECHTE/Bundesverband.

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