Zorro wird verboten! (von Christian Worch)

Im Jahre 1919 erschien der erste Fortsetzungsroman über Zorro (spanisch für „Fuchs“), eine Art Mischung aus Robin Hood und süd- bzw. mittelamerikanischen Freiheitskämpfern wie Simon Bolivar oder Benito Juarez. Schon im folgenden Jahr gab es die erste Verfilmung, damals noch als Stummfilm; und dann folgten im Laufe der Jahrzehnte noch locker ein Dutzend weitere Verfilmungen, ein japanisches Anime und eine Zeichentrickserie…. Der Mann mit Maske und wallendem Mantel, der anfangs mit einem Degen kämpfte und in späteren Versionen gern auch mal eine Peitsche benutzte, wurde Kult. Sein Markenzeichen war der Anfangsbuchstabe seines Kriegsnamens, ein „Z“, das er mit Degen oder elegantem Peitschenschwung seinen Widersachern in die Haut schnitt.

Gut hundert Jahre später begann ein offiziell „spezielle Militäroperation“ genannter russischer Angriff auf die Ukraine. Recht bald rätselten westliche Medien über einige ungewöhnliche „taktische Zeichen“ auf russischen Panzern oder anderen Militärfahrzeugen. Da gab es ein „Z“ oder ein „V“ oder ein eingerahmtes „Z“ oder ein „O“. Am bekanntesten in westlichen Medien wurde das „Z“. Vielleicht, weil es so schön zackig aussieht. Oder weil es, wenn man es um 90 Grad dreht, einer Wolfsangel entspricht. (Wobei die Wolfsangel auch von dem als rechtsextrem geltenden Azow Regiment der ukrainischen Truppen verwendet wird….)

Was das „Z“ bedeutet, ist nicht völlig klar. Einige Militärs meinen, die Russen nutzten es, um ihre Panzer und Fahrzeuge von denen der Ukraine unterscheiden zu können, was irgendwo recht logisch ist, weil auf beiden Seiten halt noch Kriegsmaterial aus Sowjetzeiten verwendet wird, das auf den ersten Blick ziemlich identisch ist. Die Gefahr von „friendly fire“ wäre also durchaus gegeben. – Das russische Verteidigungsministerium erklärt das „Z“ damit, daß es für „za pobyedu“ („sa popjedoj“) stehe, was soviel heißt wie „für den Sieg“. Etwas unstimmig an dieser Erklärung ist, daß das in Rußland verwendete kyrillische Alphabet gar kein „Z“ kennt; ein stimmhaftes S ist im kyrillischen Alphabet ein Buchstabe, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Ziffer 3 hat.

Was auch immer der Hintergrund des „Z“ ist, bald wurde es zum Symbol für den russischen Angriff auf die Ukraine. In Rußland verwenden es Putin-Anhänger, um ihre Zustimmung zu der „speziellen Militäroperation“ auszudrücken, die ihr Präsident angeordnet hat. Es wird sogar recht massenhaft verwendet. Denn Wladimir Wladimirowitsch Putin hat in unabhängigen Umfragen Sympathiewerte, von denen Männer wie Joe Biden oder Olaf Scholz nur träumen können….

Aus diesem Grunde (wegen der ausgedrückten Zustimmung, nicht wegen Putins beachtlichen Sympathiewerten) wollen immer mehr Bundesländer in Deutschland das öffentliche Zeigen des „Z“ strafrechtlich verfolgen, wenn damit in erkennbarem Zusammenhang eben diese Zustimmung ausgedrückt wird.

Wir wollen mal davon absehen, daß das natürlich eine reine Symbolpolitik ist. Und lustig wird es, wenn hierzulande Leute, die gern öffentlich das „Z“ zeigen würden, dann vielleicht auf das „V“ umsteigen. Sozusagen als „klandestiner Ersatz“. Und wenn der „klandestine Ersatz“ sich herumspricht und damit nicht mehr „klandestin“ genug ist, wird auch das „V“ verboten? Hoffentlich nicht auch die berühmten Photos von Winston Churchill, der Zeige- und Mittelfinger zu einem „V“ (wie „victory“, „Sieg“) spreizt…. Obwohl, um ehrlich zu sein: Aus prinzipiellen Gründen würde ich auch ein Verbot von Churchill-Photos nicht wirklich begrüßen, aber einen gewissen Reiz hätte es halt schon…. – Tja, und wenn dann auch das „V“ als „Billigung eines Angriffskrieges“ unter Verfolgung gestellt wird, Verzeihung, unter „…erfolgung“, und zur Korrektur auch noch mal „….erzeihung“ statt des bösen V-Wortes, dann bliebe ja noch das „O“.

Im übrigen stellt sich rechtsdogmatisch eine interessante Frage.

§ 140 Strafgesetzbuch verbietet Billigung verschiedener Straftaten; lustigerweise nicht die Billigung aller Straftaten, sondern nur einiger. Daher folgt in der Norm eine Auflistung, Straftaten nach welchen Bestimmungen nicht gebilligt werden dürfen. (Woraus übrigens folgt, daß die Mehrheit aller möglichen Straftaten sehr wohl straffrei gebilligt werden darf….) Wenn man sich da durch wühlt, findet man einen weiteren Verweis, nämlich auf das Völkerstrafrecht der BRD, das in § 13 Angriffskriege unter Strafe stellt.

Soweit, so gut.

Allerdings gibt es jetzt ein klitzekleines Problem. Aus offizieller russischer Sicht wird in der Ukraine kein Krieg geführt, sondern eine „spezielle Militäroperation“. Diese offizielle Sicht ist so offiziell, daß es in Rußland bei Androhung von drakonischen Strafen – bis zu fünfzehn Jahre! – verboten ist, diesen Krieg einen Krieg zu nennen.

Unbekannt ist mir, ob das Gesetz nur für Taten innerhalb der russischen Föderation gilt oder ob man, wenn man in Deutschland den Krieg einen Krieg nennt, dann bei späteren Reisen nach Rußland möglicherweise auch für bis zu fünfzehn Jahre nach Sibirien verschickt werden kann.

Eventuell gibt es demnächst in Deutschland ein „reziprokes“ (umgekehrtes) Gesetz oder mindestens eine Rechtsanwendung, die darauf hinausläuft, daß juristisch verfolgt wird, wer den Krieg nicht Krieg nennt, sondern eine „spezielle Militäroperation“….

Erstaunlich ist allerdings, daß solche Dinge überhaupt keine Rolle spielten, als es Kriege – durchaus im Sinne von Angriffskriegen! – gegen den Irak oder gegen Afghanistan gab… Strafbar macht sich also nur, wer einen (Angriffs-)Krieg des Ostens billigt, straffrei bleibt, wer einen (Angriffs-) Krieg des Westens billigt?!

Zurück zur Einleitung:

Während der sogenannten Corona-Pandemie war der Besuch von Kinos teilweise unmöglich, teilweise nur mit der lästigen Einschränkung möglich, daß man sich den Film nur mit einer Maske vor dem Gesicht anschauen konnte. Diese Einschränkungen sind weitgehendst beendet oder werden es alsbald sein. Möglich, daß die Leute dann wieder das Kino als Ort auch sozialer Begegnung und nicht nur des Filmgenusses besuchen, statt sich ihre Filme zu streamen oder in der Videothek als DVD auszuleihen.

Was passiert eigentlich, wenn ein Kinobetreiber auf den Gedanken kommt, jetzt einen Zorro-Film ins Programm zu nehmen? Kommt dann die Polizei? Gibt es gutmenschlich-empörte Demonstrationen vor dem Lichtspielhaus? Oder nächtliche Anschläge mit eingeschlagenen Fensterscheiben, Farbbomben oder stinkender Buttersäure?

Vielleicht sollte man „zur Wahrung des öffentlichen Friedens“ auch Zorro verbieten. Filme, Comics, Bücher, einfach alles; selbst den Namen! Man kann das Verbot ja auch wieder aufheben, wenn in der Ukraine nicht mehr geschossen wird…

von Christian Worch

Leave your comment to Cancel Reply

Your email address will not be published.