Sogenannte Gänsefüßchen

Setzt man ein Wort in Gänsefüßchen (auch „Anführungsstriche“ genannt), ersetzt das das Wort „sogenannt“, gern genutzte Kurzform: sog.

Die Referenden in den unabhängigen Republiken Donezk und Luhansk und den Gebieten Saporitschja und Cherson wurden von bundesdeutschen Medien gern in Anführungsstriche gesetzt, als sogenannte Referenden, weil man davon überzeugt war, daß sie auf Täuschung oder gar Gewaltandrohung beruhten und keinesfalls auch nur halbwegs den Standards echter Wahlen entsprochen haben. Bemerkenswert dabei ist allerdings, auf welche Weise die sehr vereinzelten westlichen Beobachter teilweise zurückgepfiffen, teilweise sanktioniert wurden. Abgeordnete der eigentlich („eigentlich“!!!) oppositionellen AfD, die sich das genauer anschauen wollten, wurden von ihrer eigenen Partei streng gerüffelt und rückten wieder ab. Und der Manager eines hessischen Energiebetriebs, der als Privatperson in den vormals zur Ukraine gehörenden Gebieten weilte, wurde „freigestellt“, was man wohl als Vorstufe zu seiner letztlichen Entlassung ansehen darf. Merkwürdig, daß man weder positive noch negative Zeugen für angebliche Fälschungen und Manipulationen haben mochte….

Den Russen wird das verdammt egal sein; für die ist der Käse gegessen, und die genannten Gebiete sind formal Bestandteile der Russischen Föderation. Ob der Rest der Welt oder ein wie großer oder kleiner Teil der Rest der Welt das anerkennt, ist der größten Atommacht der Welt gleichgültig. Macht schafft Recht; das wußten schon die alten Römer. Wenngleich sie es eleganter formulierten: „Inter arma silent leges“, „Zwischen (auch zu verstehen: unter) den Waffen schweigen die Gesetze“.

Da ist Protest eher die Waffe der Machtlosen. Oder die derer, die zwar auch Macht haben, es aber nicht gern auf eine möglicherweise planetenzerstörende Nagelprobe ankommen lassen wollen, wer nun wen öfter overkillen kann als der andere. Einmal overkillen reicht ja auch eigentlich; das Wort zu steigern oder zu multiplizieren ist fast schon eine Perversion.

Man sollte daher vielleicht den hilflosen Protest deutscher Medien nicht sonderlich ernst nehmen. Putin jedenfalls wird das mit Sicherheit nicht tun; obwohl er möglicherweise besseres Deutsch spricht als unsere Außenministerin Annalena Baerbock werden wohl weder BILD noch SPIEGEL zu seiner regelmäßigen Lektüre gehören.

Auf der anderen Seite sollte man sich selbst bei hilflosen Protest denn auch die Frage stellen, wie weit er ehrlich ist.

Bissig kommentierte das das Blog Tichys Einblick:

(Zitat Beginn – um nicht wieder “ verwenden zu müssen….) Wlads „Referenden“ in der Ukraine in Anführungszeichen setzen, weil sie nicht mit rechten Dingen zugegangen sind. Das führt uns direkt nach Berlin, wo die Verfassungsgerichtspräsidentin Ludgera Selting andeutete, die Senats- und Bundestagswahlen in der Hauptstadt müssten wohl wiederholt werden, weil sonst „das Vertrauen in die Demokratie dauerhaft und schwerwiegend beschädigt“ würde. Sollten sich die Roten wieder mal herausschlawinern, wird man „Wahlen“ in Berlin künftig auch in Anführungszeichen setzen müssen. (Zitat Ende)

Und in Berlin konnte man sich bei all den Unkorrektheiten noch nicht einmal damit herausreden, daß die Wahlen unter der Gefahr ukrainischen Artilleriebeschusses stattgefunden haben. (So groß ist selbst mit der Panzerhaubitze 2000 oder dem amerikanischen HIMARS deren Reichweite auch nicht; wenn man mal davon absieht, daß Selenski wenig Grund hat, die Wahlen in Berlin zu bombardieren, wohl aber, die Abstimmungen in vormals ukrainischen Landesteilen nötigenfalls sogar militärisch zu stören.) Nein, in Berlin war es nur ein Marathonlauf, der unklugerweise zeitgleich mit den Wahlen stattgefunden hat, und zudem auch noch allgemeine bürokratische (und damit wohl auch menschliche) Unzulänglichkeit.

Aber in westlichen Demokratien hat man vielleicht ein generelles Problem mit Referenden, sprich Volksabstimmungen. Hat man ja auch gesehen, als Katalonien in Spanien ein Referendum zur Abspaltung von der spanischen Monarchie gemacht hat; das wurde flugs für illegal erklärt. So eine Volksabstimmung ist ja irgendwie auch blöde. Sie bringt ein sehr klares Ergebnis, wenn die Frage „ja oder nein“ lautet. Eine indirekte Demokratie ist viel bequemer. Da werden Parteien gewählt, die untereinander Koalitionen ausklüngeln und damit miteinander zumindest Teile ihrer Wahlversprechen wie auf einem Basar verhandeln; und wenn eine Regierung trotzdem liefern müßte, was die breite Mehrheit möchte, kann man immer noch darauf zurückgreifen, daß der einzelne Abgeordnete nur seinem Gewissen und nicht seinen Wählern verantwortlich ist….

Der Schein ist auf der Welt wohl weiter verbreitet, als die meisten Menschen es sich vorstellen.

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