Die ständige Beschäftigung mit der Vergangenheit kann schon einmal den Blick auf Probleme der Gegenwart oder Zukunft verstellen. Was in einigen politischen Kreisen möglicherweise sogar gewollt ist. Wir sehen uns nicht in der Pflicht, darauf reflexartig einzugehen. Aber einige besondere Auswüchse verdienen dann doch Erwähnung.

Der NPD-Politiker Udo Pastörs (MdL) steht nächste Woche vor dem Amtsgericht Schwerin. Er soll den Holocaust geleugnet haben (was bekanntlich nach § 130 StGB strafbar ist) und das Andenken Verstorbener verunglimpft und verächtlich gemacht haben, was bekanntlich ebenfalls strafbar ist.

Dies soll er bei einer Gedenkstunde im Parlament getan haben, indem er er Anteilnahme am Leid der NS-Opfer und Scham für die Gräueltaten des Nazi-Regimes als „Betroffenheitstheater“ und „Schuldkult“ bezeichnet habe, berichtet der Nordkurier. Ob das nun eine Formulierung aus der amtlichen Anlageschrift ist oder die Interpretation dieser Zeitung, ist nicht bekannt.

Über den Begriff „Betroffenheitstheater“ wollen wir uns nicht weiter auslassen, aber der Begriff „Schuldkult“ verdient schon eine genauere Betrachtung. Vor allem, wenn er künftig justitiabel sein soll, wie man nach dem Ende des Prozesses wissen wird oder nicht wissen wird.

Ein Kult ist Verehrung; im engeren Sinne Götterverehrung, kann jedoch auch allgemeiner gefaßt werden. Kultische Handlungen folgen vielfach einem tradierten und ritualisierten Ablauf, sprich einem Ritus. Auch die Pflege weltlicher Symbole kann zur kultischen Handllung gehören, vor allem im Bereich der Religion: Sakralbauten, Altäre, Ikonen. Im Bereich nicht-religiöser Kulte können es Mahn- oder Gedenkstätten sein.

Es mag sich jetzt also gern jeder Gedanken darüber machen, ob einige diese Beschreibungen auf die regelmäßig in Landesparlamenten oder dem Bundestag stattfindenden Gedenkstunden (beispielsweise zum Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz) von ihrem Ablauf her an einen Kult erinnern.

Aber auch in anderer Hinsicht als mit dieser Anklage hat der permanente Vergangenheitsbezug manchmal bizarren Charakter.

Nach einer NPD-Demonstration in Neubrandenburg stellten Antifaschisten fest, daß die Route, die der Zug genommen hatte, aus der Luft eine äußerst entfernte Ähnlichkeiten mit Teilen eines Hakenkreuzes hatte. Wirklich extrem entfernt; man braucht da schon eine ganze Menge Phantasie, um auch nur diese Teile zu erkennen. Ungeachtet dessen machte der grüne Landtagsabgeordnete Johannes Saalfeld das zum Gegenstand einer Anfrage an die Landesregierung. Deren Antwort war erhellend. Für die Route war gar nicht die NPD verantwortlich, die eine andere angemeldet hatte. Die dann tatsächlich genutzte Route war der NPD durch Auflagenbescheid der Behörde oktroyiert worden… Die NPD-nahe Internetquelle MUPINFO spottet, dieVersammlungsbehörde des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte werde dann möglicherweise das erste Amt werden, das als „rechtsextremistisch“ im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Inwieweit das Auswirkungen auf den Beamtenstatus der dort Beschäftigten haben wird, bleibt abzuwarten.

Wenn man aber die Augen weit genug aufmacht, ist der Rechtsextremismus offenbar immer und überall. Der russische Opernsäger Jewgeni Nikitin hätte bei den Bayreuther Festspielen eine prominente Rolle spielen sollen, nämlich die Titelfigur des „Fliegenden Holländers“. Pech nur, daß Nikitin außer der ernsten Musik auch Heavy Metal mag und sich in jungen Jahren als Schlagzeuger einer solchen Band ein Hakenkreuz auf die Brust hatte tätowieren lassen. Aktuell ist diese Tätowierung nicht; er hat sich schon längst eine andere darüber stechen lassen, die das Hakenkreuz unsichtbar macht. Auch ist nichts davon bekannt, daß bei den Wagner-Festspielen der „Fliegende Holländer“ mit nacktem Oberkörper auftritt. Aber allein schon der Umstand, daß er vor langen, langen Jahren mal ein solches Hakenkreuz auf der Haut getragen hat, sorgte dafür, daß er seinen Auftritt absagte und abreiste; vermutlich, um die Wagner-Festspiele nicht mit diesem „Skandal“ zu belasten.

Ein bißchen fühlt man sich an den Hexenwahn des Mittelalters und der frühen Neuzeit erinnert.

Was fehlt, ist nur, daß man jetzt Engländer und Iren und Australier pauschal zu Rechtsextremisten erklärt. Denn wegen des dort üblichen Linksverkehrs haben die Autos allesamt RECHTS-Steuerung. Das ist mindestens verdächtig!

Leave your comment to Cancel Reply

Your email address will not be published.