Im alten Rom gab es den Posten des Praefectus Moribus; das war der oberste Richter über Sitte und Anstand. Lustig, daß zu Zeiten von Julius Caesar auch dieser Caesar mal Praefectus Moribus war; und von ihm sagte man, daß er im moralischen Sinne nicht so furchtbar anständig gelebt haben soll. Trotzdem gelang es, den Niedergang der Moral und damit den Zerfall des Imperiums so zwei bis drei Jahrhunderte hinauszuzögern. Ob der jeweilige Praefectus Moribus, der keinerlei wirklich exekutive Befugnisse hatte, dazu maßgeblich beigetragen hat, ist unter Historikern ein wenig umstritten.

Auch umstritten mag sein, daß die NPD sich jetzt offenbar einen Praefectus Moribus zugelegt hat. Zwar ist er noch nicht formal inthronisiert; außer einer Handvoll Insider weiß auch nicht wirklich jemand, wer er denn nun in persona ist, aber es muß ihn offenbar geben. Denn das Parteipräsidium der NPD hat sich dazu durchgerungen, einen Beschluß in Sachen Kitty Blair alias Ina Groll zu fassen. Geradezu ein Verdikt. Es ist so schön, daß es dem Publikum nicht vorenthalten werden soll. Im Wortlaut:

Das Parteipräsidium der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) erklärt Frau Ina Groll zur unerwünschten Person. Sie darf in keinem Fall zu NPD-Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten aller Art zugelassen werden. Ihr wird im Rahmen der geltenden Rechtsordnung Hausverbot erteilt. Alle Zuwiderhandlungen sind parteischädigend im Sinne des § 9 der Satzung der NPD.
Frank Schwerdt
Amtsleiter Recht“

Wer ist denn jetzt diese persona non grata?

Auf den ersten Blick eine junge Frau, die doch irgendwie zur NPD zu passen scheint: Sie ist blond. Ob naturblond oder gefärbt, vermögen wir mangels näherer Kenntnis nicht zu sagen. Allerdings ließe sich das feststellen, wenn man möchte. Es gibt von bzw. mit der Dame nämlich eine Menge pornographischer Filme. Soweit man hören konnte – wir haben uns keinen davon angeschaut – , sind einige davon wohl von der eher ziemlich unappetitlichen Sorte. Da sollen Praktiken zu sehen sein, über die man sich als kultivierter Mensch nicht unbedingt öffentlich auslassen möchte.

Als besonders anstößig gilt vielen Nationalisten, daß Frau Groll alias Mrs. Blair in manchen von diesen Filmen auch zu sehen ist, wie sie sich von Negern begatten läßt. Im Dritten Reich hätte man das „Rassenschande“ genannt. Der Begriff ist heutzutage natürlich verpönt, er stellt „Wesensnähe zur NSDAP“ her. Aber ungeachtet aller multi-kulti-Propaganda sind gemischtrassige Verbindungen auch heute noch bei vielen Menschen eher schlecht angesehen. War da nicht mal ein Herr Stoiber von der CSU, der vor „den Gefahren einer durchraßten und durchmischten Gesellschaft“ sprach?! Und dieser Herr Stoiber war und ist ein lupenreiner Demokrat; immerhin hat er es sogar mal bis zum (erfolglosen) Kanzlerkandidaten der Unionsparteien gebracht.

Über diese Aktivitäten der Ina Groll wüßte außer den Konsumenten von Schmuddelfilmchen niemand, wenn die Frau nicht vor relativ kurzer Zeit ihr Herz für Deutschland entdeckt und die Nähe zur nationaldemokratischen Partei gesucht hätte. Unter dem für sie irgendwie naheliegenden Schlagwort „Nationalismus darf auch sexy sein!“ verteilte sie im Weihnachtsfraukostüm Süßigkeiten an Kinder und NPD-Flugblätter an Erwachsene oder sammelte Unterstützungsunterschriften für Wahlantritte. Was man halt so als politische Aktivistin tut. Sie will (oder wollte?) sogar für eine NPD-nahe Bürgerinitiative zur Kommunalwahl antreten. Ob das jetzt noch akut ist, ist hier unbekannt.

Ihr letzter bisher wahrnehmbarer öffentlicher Auftritt im Zusammenhang mit der NPD war am Aschermittwoch im Saarland, unter anderem zusammen mit prominenten Parteiangehörigen wie Peter Marx oder dem vormaligen DVU-Vorsitzenden Matthias Faust. Das Lokal soll, so war zu hören, zum Bereich Rotlicht gehören, und die Wirtin servierte, wie auf Facebook zu sehen war, einen Kuchen in Penisform. Ob man das nun wirklich als skandalös betrachten soll, ist eine andere Frage. Es führte immerhin zu einigen erbitterten Äußerungen in rechts verorteten Internetquellen.

Anfang März dann kam es in Parteikreisen zu einer kleinen Eskalation. Die NPD führte eine Mahnwache oder öffentliche Kundgebung irgendwo in Rheinland-Pfalz durch, und NPD-Funktionäre erklärten dem Veranstalter im Vorfeld, sollte Frau Groll an dieser teilnehmen, würden sie umgehend den Ort des Geschehens verlassen. Das mag man schon als parteischädigend ansehen. Die Frage ist nur, durch wen: Durch Ina Groll, sofern sie anwesend gewesen wäre (was sie nicht war), oder durch jene Funktionäre, die in dem Fall durch demonstrativen Abzug einen kleineren Eklat hervorgerufen hätten. (Wobei der Eklat insofern nur bedingt klein ist, als die Zahl der Teilnehmer an solchen NPD-Veranstaltungen sich ja nun in überschaubarem Rahmen hält. Und wenn von denen sagen wir zehn beim Anblick ihres Haßobjektes gleich wieder abrücken, kann man das schon als statistisch signifikant ansehen.)

Damit sah sich das Parteipräsidium der NPD also zum Handeln veranlaßt. Zumal der neue, derzeit noch kommissarische Parteivorsitzende Udo Pastörs ja auch angekündigt hatte, er werde nach der Apfel-Ära mit einigen Auswüchsen innerhalb der Partei aufräumen. Was den Verdacht nahelegt, der Praefectus Moribus der NPD könnte der kommissarische Vorsitzende in seiner ureigenen Person sein. Eine parteiamtliche Bestätigung steht allerdings noch aus.

Ob dieses Verdikt der NPD nun nützt beziehungsweise möglichen Schaden von ihr abwendet, ist eine allerdings schwer zu klärende Frage. Zumindest unter denen, die sich gern Pornofilmchen anschauen (und das sind vermutlich gar nicht mal wenige), dürfte Ina Groll deutlich mehr Sympathisanten haben als Udo Pastörs und der Rest des NPD-Präsidiums. Und daß der Amtsleiter Recht gleich mit Wortkeulen wie „parteischädigendem Verhalten“ um sich wirft und damit für den Fall der Zuwiderhandlung Ausschlußverfahren androht, bestätigt einmal mehr die Vermutung, die NPD sei eine zumindest nach innen hin beinahe proto-stalinistische Partei. Letztlich könnte die Episode – auch wenn man sie vielleicht eher als amüsant ansehen kann – sogar Eingang in das laufende NPD-Verbotsverfahren finden, denn so was könnte die „Wesensnähe“ zur NSDAP nahelegen.

Auch eine andere Kleinigkeit hat der Amtsleiter Recht der NPD möglicherweise nicht bedacht. Natürlich steht es der NPD frei, wem auch immer Hausverbot zu erteilen, sofern es sich um Saalveranstaltungen handelt. Anders sieht es aus, wenn die NPD auf offener Straße auftritt. Da gilt dann nämlich kein Hausrecht, sondern das Versammlungsgesetz, und nach diesem darf ausschließlich die Polizei jemanden von einer Demonstration oder Kundgebung ausschließen, nicht der Leiter oder Veranstalter der Versammlung. Und Polizeibeamte werden sich an Präsidiumsbeschlüsse der NPD wohl weniger gebunden fühlen… Fast wäre es erheiternd, wenn die Ina Groll es da mal drauf ankommen ließe, allein schon, um dem Präsidium der NPD dessen Machtlosigkeit vorzuführen. Da ihre sexuellen Neigungen angeblich ja auch ein wenig in Richtung Domina gehen sollen, könnte es sogar sein, daß solche kleinen Machtspielchen ihr Spaß machen. Ob es angemessen wäre, in so einem Fall vom „Inneren Reichsparteitag“ zu sprechen, und, wenn ja, für wen das dann gelten könnte, wollen wir an dieser Stelle nicht weiter untersuchen.

Zu bedenken ist allerdings ein anderer Umstand: Ob der Beschluß wirklich in erster Linie dazu dient, die NPD „sauber“ zu halten? Oder ob es sich eher um einen politischen Angriff auf Kräfte innerhalb der NPD handelt, die solchen Themen lockerer gegenüberstehen als das offenbar moralingesäuerte Präsidium. Photos von Udo Voigt oder Peter Marx mit der blonden Dame sind im Netz inzwischen weit verbreitet; von Udo Pastörs scheint kein solches zu existieren. Will damit vielleicht der neue starke Mann der NPD seinem Vor-Vorgänger, dem anderen Udo, eins auswischen dafür, daß die Delegierten Udo Voigt zum Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl gewählt haben und nicht Udo Pastörs? Daß er folglich nicht den von ihm als provinziell empfundenen Schweriner Landtag gegen das glänzendere Parkett in Brüssel bzw. Straßburg eintauschen kann? Und auch für die nächsten zwei Jahre bescheiden von den Diäten eines Fraktionsvorsitzenden (ca. 8.000 Euro im Monat) leben muß, statt als EU-Parlamentarier rund doppelt soviel zu kassieren?

Wenn der Gedanke, daß sich hier moralische Entrüstung mindestens auch mit einem politischen Seitenhieb gegen innerparteilich nicht mehr ganz so erwünschte Kreise mischt, dann hätten wir es möglicherweise mit einem Fall von Doppelmoral zu tun

Im antiken Rom hatte in solchen Fällen der Praefectus moribus – auch ohne exekutive Befugnisse – das letzte Wort. „Roma dicit; causa finita est“, Rom hat gesprochen, die Sache ist zuende, der Fall ist abgeschlossen. Bei der NPD sind wir da allerdings nicht so sicher. Die Partei ist immerhin vom Gesetz her zu innerparteilicher Demokratie verpflichtet. Und die heutigen Vorstellungen von Demokratie sind andere als im spätrepublikanischen oder gar im kaiserlichen Rom.

Ebenso die Moralvorstellungen, nebenbei bemerkt.

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