Ein Heer von mehr oder minder gut bezahlten Staatsbediensteten sitzt in den Amtsstuben, bewegt sich körperlich möglichst wenig, ist dafür aber geistig rege, wenn es darum geht, mißliebige Mitmenschen zu ärgern. Besonders mißlibig ist natürlich, wer politisch rechts steht.

Daher sind dem Einfallsreichtum so gut wie keine Grenzen gesetzt.

Seit ein paar Jahren ist es Mode, Kandidaten der NPD von der Wahl für Bürgermeisterämter auszuschließen. Nämlich wegen angeblich oder tatsächlich mangelnder Verfassungstreue.

Die Rechtsgrundlage dafür ist, daß ein Bürgermeister „politischer Beamter“ ist und mithin das Beamtenrecht auf ihn anwendbar ist; anders als auf Landtagsabgeordnete oder Mitglieder einer Landes- oder Bundesregierung… Irgendwo ein wenig irrsinnig. Ein tatsächlicher oder vereintlicher Verfassungsfeind könnte – entsprechende Wahlergebnisse vorausgesetzt – Landesminister oder Ministerpräsident werden, aber nicht Bürgermeister einer Stadt mit ca. zehntausend Seelen…

Abgesehen von diesem juristischen Unsinn, der normalen Menschen wirklich schwer vermittelbar ist, ist die Sache natürlich von beiden Seiten her blödsinnig. Wenn die NPD in einer Stadt wie Uckermünde in Mecklenburg-Vorpommern einen Bürgermeisterkandidaten aufstellt, ist er chancenlos. Daran ändert auch nichts, daß die NPD dort bei der Landtagswahl das beachtliche Ergebnis von 18 Prozent bekommen hat, also dreimal soviel wie im Landesdurchschnitt. Und selbst wenn sie mit 38 Prozent rechnen könnte, würde sich in alter SED-Blockparteienmanier ein Konsenskandidat der anderen Parteien finden, der dann mit 60 oder mehr Prozent den NPD-Kandidaten locker schlagen könnte.

Und diese Chancenlosigkeit wegen ist es umgekehrt genauso blödsinnig, wenn die Wahlleiterin Kerstin Soyeaux und ihr Wahlausschuß den NPD-Mann Marko Müller als Kandidat ablehnten. Man fragt sich, ob nicht von beiden Seiten eine gewissermaßen ritualisierte Auseinandersetzung geführt wird. Die NPD kann sich als das arme Opfer darstellen und damit um Sympathien buhlen, und die wackere Wahlleiterin und ihr wackerer Wahlausschuß profilieren sich als höchst unerschrockene Krämpfer, pardon, Kämpfer gegen rechts.

So was hat dann ein bißchen bizarre Züge. Nach einem Bericht der Ostsee-Zeitung (früher im jetzigen Bundesland Zentralorgan des SED-Bezirks und von diesem herausgegeben) bestehen „Zweifel“ an der Verfassungstreue von Herrn Müller. Interessant, daß man jemandem heutzutage nicht mehr Verfassungsfeindlichkeit nachweisen muß, sondern daß „Zweifel“ ander Verfassungstreue reichen. „Zweifel“ ist ein eher vager Begriff.

Dies wird um so vager, als bei einem anderen Kandidaten diese „Zweifel“ offenbar nicht bestehen. Für DIE LINKE tritt der ehemalige Landtagsabgeordneten Gerd Walther an. Da die jetzige Bürgermeisterin Heidi Michaelis, die im Februar nächsten Jahres aus Altersgründen ihr Amt vorzeitig aufgeben möchte, ebenfalls Mitglied von DIE LINKE ist, hat Herr Walther mutmaßich gute Chancen, ihr Nachfolger zu werden. Das ist um so pikanter, als an der Verfassungstreue von Herrn Walther möglicherweise größere Zweifel bestehen dürften als an der von Herrn Müller. Herr Walther war nämlich sowohl inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR-Stasi als auch hauptberuflich Unteroffizier im Wachregiment Felix Dscherzinsky.

Wenn man sich aber anschaut, wie die BRD zumindest in Teilbereichen zu einer Art von DDR 2.0 verkommt, dann ist das möglicherweise weniger ein Indiz für Verfassungsfeindlichkeit als vielleicht eher ein Ausdruck von besonderer Verfassungstreue. Schade, daß Erich Honecker tot ist. Es wäre doch reizvoll, wenn er seine politische Karriere als Bürgermeister einer mitteldeutschen Kleinstadt beschließen könnte.

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