Latein ist eine tote Sprache, und daher ist es die Sprache der Wissenschaft. Ähnlich ist es mit dem Alt-Griechischen. Denn tote Sprachen haben die lobenswerte Eigenschaft, sich nicht mehr zu ändern.

Bislang ging der Normalverbraucher davon aus, daß Latein-Kenntnisse ihm wohl eher wenig nützen würden, wenn er nicht gerade Arzt, Biologe, Fachhistoriker oder so etwas in der Richtung werden möchte. Das aber kann sich bald ändern. Denn der Verband der Krankenhausdirektoren hat ein Sicherheitsproblem festgestellt, das auf mangelnder sprachlicher Verständigung beruht. In kleineren Kliniken liegt der Anteil ausländischer Assistenzärzte teilweise bei rund 50 Prozent. Haupt-Herkunftsländer dieser Mediziner sind Syrien, Ägypten, Rumänien, Griechenland oder Spanien. Die fachlichen Qualifikationen dieser Ärzte sind im Regelfall gut. Mit der Sprache aber hapert es.

Und das ist problematisch, weil der Kommunikation zwischen Patient und Arzt für Diagnose und Therapie eine besondere Bedeutung zukommt. (Da haben wir es! Kommunikation kommt vom lateinischen communicare, mitteilen. Diagnose kommt zur Abwechslung aus dem Griechischen, diagnosis, Unterscheidung. Auch Therapie hat eine griechische Wurzel – therapeia, das Dienen.) Man nennt das Anamnese. (Griechisch anamnesis, Erinnerung. Richtiger übersetzt wäre in dem Fall Erfassung, denn bei der Anamnese wird erfaßt, was der Patient über seine Beschwerden und die bisherige Entwicklung seines Leidens berichten kann. Der Patient selber ist übrigens – sprachlich gesehen – auch ein antiker Ausländer. Seine Bezeichnung kommt vom lateinischen patiens, „aushaltend“, „fähig zu ertragen“, oder auch passio, das Leiden.)

Eine bessere Kenntnis klassischer europäischer Sprachen kann also die Behandlung erleichtern, im Extremfall sogar das Leben des Patienten retten. Vielleicht werden die Krankenkassen irgendwann einmal entsprechende Volkshochschulkurse anbieten oder gar ihren Versicherten empfehlen, ein humanistisches Abitur nachzumachen.

Fragwürdig bleibt aber, warum wir all diese syrischen, ägyptischen, rumänischen, griechischen oder spanischen Ärzte brauchen. Gibt es nicht genug deutsche Ärzte? Oder sind wir Deutschen inzwischen zu blöd oder zu faul, uns den Mühen eines Medizin-Studiums zu unterziehen? Gab es nicht vor Jahrzehnten sogar mal einen „numerus clausus“, der dazu führte, daß nicht jeder Medizin studieren durfte, der die allgemeine Hochschulreife hatte, sondern man dafür ein erstklassiges Abitur brauchte und anderenfalls gar nicht erst zugelassen wurde?

Nun, es gäbe wohl genug deutsche Ärzte, wenn diese nicht in großer Zahl ins Ausland abwandern würden. Lohndrückerei durch die im Regelfall preiswerteren ausländischen Kollegen mag dabei eine Rolle spielen. Oder auch, daß in vielen Ländern die steuerlichen Bedingungen besser sind, daß die Regierung dort nicht beinahe systematisch bestrebt ist, den Mittelstand zu vernichten, oder vielleicht einfach nur, daß Meinungsfreiheit und Bürgerrechte in Ländern wie den USA erheblich weiter entwickelt sind als in der BRD.

Also wieder mal ein Problem, das „unsere“ Regierungen der letzten Jahrzehnte „hausgemacht“ haben. Und wieder einmal eines, unter dem die einfachen Leute, der kleine Mann, leiden müssen. Im schlimmsten Fall, wenn sie krank sind und ihr Arzt sie nicht richtig versteht, sogar körperlich leiden!

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