Gut Biß!

von Christian Worch

Wenn man ausblendet, daß ein Mensch ermordet wurde, könnte man den Fall Lübcke beinahe für erheiternd halten. Natürlich nicht den Mord an sich; das wäre äußerst pietätlos, egal, ob man von dem vormaligen Regierungspräsidenten von Kassel viel oder eher wenig bis gar nichts gehalten hat. Da gebietet es schon die Majestät des Todes, über den Toten nichts Schlechtes zu sagen, ganz im Sinne altrömischer Philosophie: „De mortuis nihil nisi bene“.

Nein, die Erheiterung gilt eher der politisch-medialen Hysterie, die, wenngleich auch mit einer kleinen Ladehemmung in Form einer Zeitverzögerung, nunmer ihre vollen neurotischen Blüten treibt.
Ganz unbeschadet der ach so oft bemühten Unschuldsvermutung wird allgemein so getan, als sei es eine unumstößliche, ja, geradezu eine „offenkundige“ Tatsache, daß ein 45-jähriger Familienvater zweier minderjähriger Kinder namens Stephan E. der Mörder sei. Nur die Frage, ob er seine mutmaßliche Tat allein begangen hat oder ob ihm dabei ein mutmaßliches Netzwerk zur Seite stand, ist noch Gegenstand von teilweise wilden Spekulationen. Und unabhängig davon, was eines möglicherweise fernen Tages Gerichte feststellen werden, muß natürlich der Kampf gegen Rechts verschärft werden.

Der erste, geradezu heroische Schritt ist gemacht: Im Vorfeld einer Veranstaltung im sächsischen Ostritz schaffte die Polizei es, 4.200 Liter Bier sicherzustellen, damit es nicht in durstigen rechten bis rechtsextremen (oder gar neonazistischen!) Kehlen verschwinden konnte. Zweifellso ein Beitrag zur Volksgesundheit. Soviel Bier kann ja nicht gut sein! Vor allem nicht, wenn die Einschätzung richtig sein sollte, daß an dieser Veranstaltung so ungefähr 750 Menschen teilnehmen werden. Das wären dann immerhin 5,6 Liter Bier pro Mann und Nase, ausreichend für einen wirklich massiven Vollrausch!

Nun können Skeptiker aber einwenden, daß es sich für die radikale Szene letztlich positiv auswirkt, wenn man ihre Mitglieder – mindestens gelegentlich – am Saufen hindert. Von seltenen Ausnahmen abgesehen, macht Suff schlaff; möglicherweise bis hin zur Bewußtlosigkeit.
Deshalb hat, seinem Schwesterparteifreund Tauber folgend, Innenminister Seehofer die feste Absicht, der Demokratie „mehr Biß“ zu verpassen. Da bedauert man doch wirklich, daß man nicht Zahnarzt geworden ist!
Indes wird Herr Seehofer das mit dem Zubeißen wohl nicht so wörtlich gemeint haben; eher symbolisch. Deshalb möchte er ein wenig in die Mottenkiste des Grundgesetzes greifen und Artikel 18 entstauben. Artikel 18 heißt im Klartext – laienverständlich wiedergegeben – daß Feinden der Verfassung einige Grundrechte entzogen werden können; hierüber bzw. über den Umfang der Entziehung entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Wenn die Beamtenjuristen des Herrn Seehofer ihre Arbeit gründlich machen, werden sie feststellen, daß das in den nunmehr 70 Jahren Grundgesetz ganze viermal versucht wurde und jedes Mal ein Flop war.
Zuerst versuchte man es mit Generalmajor a.D. Otto-Ernst Remer, der in den frühen 50-er Jahren bis zum Verbot der „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP) deren Vize-Vorsitzender war. Nach ein paar Jahren und weil der Regierung keine das Verfassungsgericht überzeugenden Argumente einfielen, wurde das Verfahren sang- und klanglos eingestellt.
Als nächstes kam Dr. Gerhard Frey dran, der frühere Vorsitzende der früheren „Deutschen Volksunion“ (DVU). Herrgotnochmal, die Justiz hat es bis zu dessen Tode noch nicht mal geschafft, dem Mann den Waffenschein zu entziehen; um so weniger war das dann wohl mit Grundrechten möglich. Auch dieses Verfahren wurde nach einigen Jahren sang- und klanglos eingestellt.

In den frühen 90-er Jahren, vor allem auch nach den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen, herrschte zeitweilig eine ähnliche medial-politische Hysterie wie heute, und sie trieb ähnliche Blüten. Damals gab es Entziehungsanträge gleich im Doppelpack: Gegen Thomas „den blonden Engel“ Dienel und Heinz „Nero“ Reisz, zwei Aktivisten, die jeweils eine nach wenigen Dutzenden zählende Anhängerschaft hatten. Dem guten Thomas Dienel hätte eine andere Art der Entziehungskur sicherlich nicht schlecht getan: er war ein recht hochgradiger Alkoholiker. Und pikanterweise nebenbei ein V-Mann des Verfassungsschutzes. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der VS Thomas Dienel wirklich „vertraut“ hat. Ich zumindest wäre bei einem Alkoholiker da ein wenig vorsichtig gewesen. Aber glücklicherweise ist es nicht meine Aufgabe, die Organe der Sicherheitsarchitektur der BRD zu beraten.

Während der frühere Generalmajor Remer (der, der den Stauffenberg-Putsch vereitelt hat) und der Multimillionär, Zeitungsverleger und Parteigründer Dr. Frey wenigstens noch politische Schwergewichte in ihrer jeweiligen Zeit waren, waren die Herren Dienel und Reisz dies sicherlich nicht. Die Anträge gegen sie waren damit eher ein Zeichen hilflos-hysterischen Aktivismus. Ob man in Karlsruhe bei deren Eingang schmerzlich das Gesicht verzogen hat (fremdschämen) oder prustend losgelacht hat, entzieht sich leider der Kenntnis des niederen Volkes. Weil die dortigen Richter eher gesetzte Damen und Herren sind, tippe ich persönlich mehr auf Fremdschämen statt auf überbordende Heiterkeit; aber das ist natürlich eine reine Vermutung.

Wie auch immer, den Anträgen gegen die Herren Dienel und Reisz erging es nicht anders als denen gegen die Herren Remer und Dr. Frey. Außer Spesen nix gewesen. Ob die Spesen von Generalmajor a.D. Remer und Thomas Dienel und Heinz Reisz wenigstens nach dem Verursacherprinzip von der Regierung getragen worden sind, weiß ich nicht. Dem Dr. Frey, dessen Vermögen damals auf eine halbe Milliarde D-Mark geschätzt wurde, wird es wohl egal gewesen sein.

Was berechtigte Herrn Seehofer eigentlich zu der Hoffnung, es könnte in künftigen Fällen in seinem Sinne besser laufen?

Ein bißchen klüger als er ist da sein Kabinettskollege Maas. Der Außenminister wird wegen seiner Kleinwüchsigkeit manchmal ein wenig verspottet, was natürlich Diskriminierung ist. Aber Menschen von zwergenhaften Wuchs haben den Vorteil, daß sie vielfach unterschätzt werden. Ein Fehler: Auch kleine Männer können große Ideen haben! Herr Maas hatte eine große Idee. Er tripliziert den historischen D-Day, den Tag der Landung in der Normandie, der den Untergang des Dritten Reiches einleitete. Bei ihm soll es der DDD werden. (Bitte nicht DDR daraus lesen; das wäre ein freudscher Verleser!) DDD soll für „Donnerstag der Demokratie“ stehen. Analog zu den „Fridays for future“. Vielleicht erleben wir alsbald, daß die ersten antifaschistisch eingestellten Schüler auch an Donnerstagen schulstreiken, um gegen rechts zu demonstrieren. Und wenn die gleichen Leute dann auch noch Klima-Aktivisten sind, fällt für sie nicht nur 20 Prozent des Unterrichts aus, sondern satte 40 Prozent. Man könnte das natürlich ausgleichen, indem man „Antifaschismus“ als Schulfach einführt. Das würde den Notendurchschnitt etlicher Schulschwänzer in einer für sie vorteilhaften Weise anheben!

Leider nur hat Herr Maas einen kleinen Fehler gemacht. Er hat versäumt, irgendeine Sicherheitsbehörde zu fragen. Die hätte ihm sagen können, daß das Kürzel „DDD“ bereits besetzt ist. Als „klandestiner Code“ der bösen Rechten für „Deutschland den Deutschen“.

Also vielleicht lieber doch die seehofersche Bissigkeit? Auch wenn’s vor dem Höchstgericht wenig Erfolg verspricht. Man setzt sich so wenigstens nicht dem Verdacht aus, klammheimlich „klandestine Codes“ gesellschaftsfähig zu machen…

Leave your comment to Cancel Reply

Your email address will not be published.