Es ist allgemein bekannt, daß Politiker sich gern einmal über die Meinung des Wahlvolkes hinwegsetzen. Reicht ja, daß sie alle vier (oder fünf) Jahre gewählt werden; mehr will man vom angeblich so mündigen Bürger doch gar nicht.

Die gefühlte Kluft zwischen Parlamentariern und dem Mann oder der Frau auf der Straße ist eine inzwischen schon unüberbrückbare. Der praktische Nachweis dieser Kluft gelingt allerdings nur relativ selten. Die Inhaber von bequemen Sesseln in den Plenarsälen und Bezieher von nicht gerade mageren Diäten reden sich gern damit heraus, daß ihre Politik doch Zustimmung findet, anderenfalls würden nicht immer wieder die gleichen Parteien gewählt werden…

Im konkreten Fall sieht das allerdings so aus: Nahezu 450 Bundestagsabgeordnete haben für ein Beschneidungsgesetz gestimmt, rund 100 dagegen, rund 50 haben sich enthalten. Eine sehr breite Mehrheit von drei Vierteln war also dafür; mehr, als nötig wäre, die Verfassung zu ändern.

Nun ist eine repräsentative Meinungsumfrage natürlich nicht so exakt wie die Auszählung einer Abstimmung im Deutschen Bundestag. Aber wenn sie hinreichend eindeutig ist, hat sie schon eine Menge Aussagekraft. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ befragte 1.000 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Meinung dazu, daß künftig Kleinkinder beschnitten werden dürfen; solche unter sechs Monaten sogar von rituell-religiösen Beschneidern, die keine Ärzte sind. 70 Prozent waren dagegen. Also waren ähnlich viel gewöhnliche Bürger dagegen, wie Abgeordnete des Deutschen Bundestages dafür waren.

Unter diesen Umständen kann man schon verstehen, warum die breite Mehrheit eben dieser Abgeordneten gegen direktere Demokratie, beispielsweise in so einem Fall einen Volksentscheid, sind.

Damit man bequem weiterhin gegen Meinungen und Interessen der Mehrheit regieren kann. Was daran nun demokratisch sein soll, wird zunehmend unverständlicher.

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