Der Mann war rund zwanzig Jahre dabei, bevor er richtig eingestiegen ist, um nach weiteren acht Jahren nunmehr auszusteigen. Die Rede ist von Andreas Molau.

Ab etwa seinem 18. Lebensjahr engagierte Molau sich national und mehr oder minder radikal rechts, unter anderem mit dem Versuch, an seinem Studienort Göttingen eine Gruppe des der NPD nahestehenden „Nationaldemokratischen Hochschulbundes“ einzurichten. Das scheiterte aufgrund militanter linker Aktivitäten. Vielleicht etwas vorsichtiger geworden dadurch, verlegte Molau sich vornehmlich auf schriftstellerische Aktivitäten. Bei der „Jungen Freiheit“ wurde er herausgekantet, weil man ihm zu große Nähe zu Holocaustleugnern vorwarf. Eine bereite Öffentlichkeit nahm Andreas Molaus Aktivitäten und seine Nähe zu wem auch immer jedoch nicht wahr. Das zeigte sich allein daran, daß er nach Abschluß seines Studiums Anstellung an einer Waldorf-Schule fand.

Im Jahre 2004 begann die persönliche Aufbruchstimmung des anthroposophischen Lehrers. Er beantragte bei seiner Schule Freistellung, um eine Stellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter anzunehmen – bei der gerade erst gewählten NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Die zu erwarten gewesende hysterische Folge war, daß die Waldorf-Schule nicht nur ihm kündigte, sondern in Form der Sippenhaft auch den Schulvertrag für seine Kinder kündigte. Es ist schon erstaunlich, wie Musterdemokraten von den gleichen Mitteln Gebrauch machen, wie sie im Dritten Reich üblich waren.

Molau galt eine Weile als „Hoffnungsträger“ der NPD, hauptsächlich wohl, weil er aus dem Rahmen fiel und sich vom durchschnittlichen Funktionsträger der NPD in geradezu vorzeigbarer Form unterschied. Nicht alleine dadurch, daß er Vollakademiker ist – davon gibt es in der NPD mehr, als die Medien ihr Publikum gern glauben machen. Auch sein beruflicher Vorlauf war nicht gerade rechts. In seine Wehrdienstzeit bei der Bundeswehr war er Angehöriger einer Einheit für „psychologische Kriegsführung“ gewesen und verstand sich daher auf den geschickten Einsatz von Argumenten; ein sympathisches Äußeres verband sich bei ihm mit hörbarer Rhetorik, die auch verbissene Gegner nicht als „dumpf“ oder „primitive Ressentiments ansprechend“ abqualifizieren konnten.

Molau verkannte allerdings, daß er auf die verkrusteten Strukturen der NPD nicht wirklich würde Einfluß nehmen können. Zwar war er mit seinen damals 36 Jahren – 2004 – schon sein halbes Leben dabei, beinahe zwei Jahrzehnte, aber er hatte einfach nicht den „Stallgeruch“, den Apparatschiks wohl brauchen.

Auch in Dresden hielt es ihn nicht lange. Möglicherweise lag es am System Apfel, in dem er sich nicht wohlfühlte; jedenfalls wechselte er von einer „Versorgungsanstalt“ der NPD zur nächsten, von der sächsischen Landtagsfraktion zur mecklenburg-vorpommerschen.

Dort war es als Pressesprecher tätig, als er zum Gegenkandidaten gegen den damals amtierenden Parteivorsitzenden Udo Voigt aufgestellt wurde.

Es war eine der zumindest theoretischen Wendemarken der NPD. Allerdings erwies sich wie bei den meisten anderen Gelegenheiten die NPD als für eine Wende zu schwerfällig.

Binnen kürzester Zeit war der Kandidat Molau so demontiert, daß er das Handtuch warf. In einer teilweise höchst unappetitlichen Mobbing- und Hetzkampagne aus den eigenen Reihen warf man ihm vor, daß sein Onkel als Vierteljude im Dritten Reich schulische Nachteile erlitten hatte, und sprach süffisant vom „Achtel-Molau“. Der nach Meinung von Jürgen Rieger „im Dritten Reich nicht einmal Blockwart hätte werden können“. (Wobei hier völlig unbekannt ist, daß Blockwarte der NSDAP „den Großen Ariernachweis“ erbringen mußten. Jurist Rieger scheint die damals einschlägig gewesenen Gesetze nicht richtig gelesen zu haben.)

Genervt von dieser Kampagne, warf Molau das Handtuch und zog seine Kandidatur zurück, woraufhin Udo Pastörs an seine Stelle trat und gegen den Amtsinhaber im Frühjahr 2009 unterlag.

Da hatte Andreas Molau seine Tätigkeit bei der NPD-Fraktion in Schwerin schon gekündigt und statt dessen bei der DVU angeheuert.

Der fliegende Wechsel ebenso wie ein späterer beruflicher Wechsel zeigt, daß Andreas Molau spätestens zu diesem Zeitpunkt wohl nicht allein von politischen Erwägungen getrieben wurde. Es war für ihn immerhin auch eine existentielle Frage. Die Ausübung seines studierten Berufs als Lehrer war ihm verweigert, und von den Erträgen schriftstellerischer Arbeit auskömmlich zu leben, war bestenfalls eine fragwürdige Option, eher noch eine unwahrscheinliche.

Ursprünglich noch Doppelmitglied beider Parteien, trat Andreas Molau im Sommer 2009 anläßlich des Paktbruchs der NPD – absprachewidriger Antritt der NPD zur Landtagswahl in Brandenburg zum Nachteil der DVU – aus der NPD aus.

Seines Bleibens in der DVU war allerdings auch nicht wirklich lange; durch faustsche Mißwirtschaft wurde das Geld immer knapper, und schließlich wurde Molau gekündigt (oder tat es mit Blick auf die Unvermeidlichkeit von selbst; das ist hier nicht bekannt).

Seine nächste Station war die PRO-Bewegung. In einer höchst unappetitlichen Fortsetzung des Mobbing- und Hetzkampagne brachte ihm das von einigen natürlich anonymen Figuren die Bezeichnung als „Wanderratte“ ein. Möglicherweise eine antisemitisch motivierte Anspielung, wenn man mal den Film „Der Ewige Jude“ gesehen hat und erinnert, daß in einer der Eingangssequenzen die Juden mit Ratten verglichen wurden. Und Zoologen wissen, daß die klassische schwarze Hausratte (rattus rattus, auch indische Hausratte genannt) in Mitteleuropa ab dem 17. Jahrhundert von der größeren grauen Norwegischen Wanderratte (rattus norvegicus) vollständig verdrängt war.

Bei der PRO-Bewegung wurde Molau Pressesprecher einer der Stadtratsfraktionen, von denen manche groß genug sind, um aus öffentlichen Mitteln festangestellte Mitarbeiter bezahlen zu können. Ob er allerdings eine sonderliche Neigung zur Kommunalpolitik hatte, ist fragwürdig. Seinen Stadtratssitz in der heimischen Gemeinde Wolfsburg besetzte er nach einer akribischen Auflistung von Linken nur bei weniger als jeder zweiten Sitzung.

Auch in dieser neuen Funktion – in der er seine Tätigkeit weit mehr aus dem Hintergrund als an vorderster politischer Front ausübte – geriet er wieder unter Beschuß; diesmal aus der anderen Richtung. Waren es vorher (beziehungsweise in manchen Foren noch immer) echte Hardliner, die ihren Haß auf primitivste Weise austobten, dienten Männer wie Molau nunmehr gemäßigteren Kreisen als Argument, mit der PRO-Bewegung lieber nichts zu tun haben zu wollen.

Jetzt ist Andreas Molau ausgestiegen, wie er dem Norddeutschen Rundfunk gegenüber bekundet hat.

Ausweislich seines Interwievs seien ihm erste Zweifel anläßlich der berühmten Aschermittwochsrede von Udo Pastörs im Februar 2009 gekommen; diese habe er als mindestens indirekt gewaltbejahend aufgefaßt. Pastörs hatte dabei – im parteiinternen Wahlkamp um den Spitzenposten wohl auch mit Blick auf den radikalen Parteiflügel – von „der Judenrepublik“ sowie von „türkischen Samenkanonen“ gesprochen und wurde für diese Äußerungen wegen Volksverhetzung später zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Nicht ganz unberechtigt sind manche Kritikpunkte, die er dem Linksjournalisten Schölermann vom NDR und dessen Kollegin Angelika Henkel nannte. Skurril fand er es, wenn in Hinterzimmern Jüngelchen, die kaum gerade stehen konnten, T-Shirts mit dem Aufdruck „White Power“ trugen. Den Parteivorstand der NPD nannte er „eine Art Raumschiff im Parallel-Universum“, der sich in der Parteizentrale wie in einer „Katakombe“ hinter Stacheldraht und Metallzaun treffe. Führenden Parteikadern unterstellt er Realitätsverlust. Wer die NPD näher kennt, wird zugeben, daß das keine völlig abwegige Unterstellung ist.

Warum genau Andreas Molau seinen Mitgliedsausweis an PRO NRW zurückgeschickt hat, ist nicht bekannt. Die Netzseite von PRO NRW brachte höchst hastig eine Erklärung, daß schon Anfang Juni – also vor knapp zwei Monaten! – Andreas Molau „auf ausdrücklichen Wunsch des Vorsitzenden Markus Beisicht“ alle Ämter in der Bürgerbewegung niedergelegt und sich aus der nämlichen zurückgezogen habe. Warum dies erst jetzt, nach dem öffentlichen „Outing“ von Molau, von PRO NRW mitgeteilt wurde, wird wohl deren Geheimnis bleiben. Es sieht ein wenig nach einer Schutzbehauptung aus. Auch einigen Funktionären von PRO NRW wird gelegentlicher Realitätsverlust unterstellt, oder aber mindestens eine Neigung, sich die Realität in die gewünschte Form zu biegen. Diskreterweise hat Andreas Molau sich darüber bisher noch nicht öffentlich geäußert und damit seinem letzten Arbeitgeber mehr Loyalität erwiesen als seinem früheren, der NPD.

Indes mag es sein, daß das noch kommt.

Ziel des Ausstieges von Andreas Molau ist nicht allein, sich von Kreisen, mit denen er politisch nicht mehr übereinstimmt (oder vielleicht nie wirklich übereingestimmt hat) zu trennen. Nein, sein Ziel ist auch, durch Bruch mit der Vergangenheit wieder in eine bürgerliche Existenz zurückkehren zu können, und zwar als das, wofür er studiert hat und was er ein paar Jahre an einer Waldorfschule gewesen ist: Als Pädagoge.

Wenn er sich da mal nicht geschnitten hat! Beliebt ist der vorzeigbare Ausstieg; weniger aber der Aussteiger. Das Stigma dürfte er schwerlich loswerden.

Vielleicht in dem Bewußtsein um diese Schwierigkeiten läßt Molau sich vom NDR zitieren wie folgt: „Wo er zuvor verbrannte Erde hinterlassen habe, möchte er sich nicht nur entschuldigen, sagt Molau. Er möchte auch die Chance haben, dort das ein oder andere Pflänzchen wieder zu setzen – etwa durch Aufklärungsarbeit über Rechtsextremismus oder auch in sozialen Projekten -, um jene in Deutschland zu integrieren, die er früher am liebsten des Landes verwiesen hätte.“

Als flankierende Maßnahme hat er Kontakt zum Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz aufgenommen. Das hat das Amt NDR Info gegenüber bestätigt. Da ein solcher Schritt breiten Kreisen als Verrat gilt, dürfte das den Ausstieg unumkehrbar machen. So lautet wohl zumindest Molaus Spekulation.

Allerdings darf man trotz aller Fehler, die die verschiedenen VS-Ämter beispielsweise im Zusammenhang mit der NSU-Affäre gemacht haben, diese Leute nicht für blöd halten. Eine Bewertung von Andreas Molaus Aktivitäten der letzten acht Jahre macht zweifelhaft, ob er für seinen Ausstieg wirklich politische Gründe, gewandelte Gesinnung und Ansichten, hat, oder ob es nur darum geht, die nächsten Jahrzehnte bis zur Rente ein bürgerliches Auskommen zu sichern.

Als er 2004 aus der lange Zeit beibehaltenen Deckung hervor ins Rampenlicht getreten ist, hat er sich wahrscheinlich von einer damaligen „Aufbruchsstimmung“ täuschen lassen. Die NPD war mit beinahe 10 Prozent in den sächsischen Landtag gekommen – „ein guter Tag für alle Deutschen, die noch Deutsche sein wollen“, wie es ein wenig sperrig Holger Apfel am Wahlabend in einer ersten Stellungnahme ausdrückte. Dieser gute Tag führte dann dazu, daß das „Raumschiff Parteizentrale“ völlig abhob. In ihrer Phantasie sahen sie die Jahre 1966 bis 1969 sich wiederholen, wo die Partei Landtag um Landtag stürmte. Nach dem Erfolg von September 2004 wollte man im Februar 2005 in Schleswig-Holstein mindestens fünf Prozent haben. (Geworden sind daraus trotz gewaltiger finanzieller und personeller Anstrengung gerade mal knapp zwei.) Und mit einem solchen Sprungbrett wollte man es auch im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen schaffen; da aber reichte es mißlicherweise im Mai 2005 nicht einmal für ein Prozent. Und schon waren die Blütenträume ausgeträumt. Auch die des Andreas Molau. Nämlich, nicht FÜR, sondern VON Politik dauerhaft und auskömmlich leben zu können.

Jener recht ferne Zweig der molauschen Familie, der jüdisch ist, wird wohl verstehen, wenn man dazu kommentiert: „Mene, mene tekel, u pharsim!“ Gewogen, zerteilt, und für leicht befunden.

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