Durch das Papsttum kann man seine historische Bildung auffrischen. Als der damalige Joseph Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt wurde und den Namen Benedikt XVI annahm, erfuhren wir, daß seit rund fünfhundert Jahren kein Deutscher mehr als Papst gewählt worden ist. Jetzt, wo er freiwillig des Amtes entsagt, erfahren wir, daß seit rund siebenhundertfünfzig Jahren kein Papst lebend aus dem Amt geschieden ist.

Der letzte, der das tat, war ein seinen Zeitgenossen als verschroben geltender Einsiedlermönch, auf den man sich nach zwei ewig langen Jahren als Kompromißkandidaten geeinigt hatte.

Der noch bis zum 28. Februar amtierende Papst ist weder verschroben noch ein Einzelgänger. Er ist ein alter Herr von 85 Jahren. Das Nachlassen seiner körperlichen Kräfte hat ihn zu diesem Schritt bewogen. Er will damit der römisch-katholischen Kirche ein langsam vor sich hin siechendes Oberhaupt ersparen.

Der Schritt hat unter Gläubigen gemischte Reaktionen hervorgerufen. Einige bewundern ihn, andere bedauern seinen Schritt und fühlen sich allein gelassen. Leise kommt sogar der Vorwurf auf, er hätte den Leidensweg Christi als Vorbild sehen und ihn bis zum letzten, bitteren Ende, dem körperlichen Tod, gehen müssen.

Der Vergleich hinkt: Der biblischen Legende nach war Christus 33 Jahre alt, als er, das Kreuz auf dem Rücken, die Dornenkrone auf dem Haupt, nach Golgatha schritt.

Der nunmehr bald wieder bürgerlich Joseph Ratzinger heißende Papst hat eine ehrenwerte Entscheidung getroffen. Er hat sich nicht an Amt und Würden geklammert. Er hat die Kraft – und den Mut! – gefunden, loszulassen, seine unverschuldete, körperlich-altersbedingte Schwäche einzugestehen und den sinnvollen, logischen Schluß daraus zu ziehen. Es ist bezeichnend, daß in dieser Kirche, die über Jahrhunderte hinweg eine ernstzunehmende weltliche Macht war und es in Teilbereichen noch immer ist, ein Dreivierteljahrtausend lang kein anderer das getan hat. Eine Tugend. Wenn bei seiner Inthronisierung die BILD-Zeitung schrieb: „Wir können Papst!“, dann sollte sie jetzt schreiben: „Wir können Tugend!“ Obwohl es zweifelhaft ist, ob ausgerechnet die BILD-Zeitung ein Recht hat, sich beim Thema Tugend in das „wir“ mit einzureihen….

Wünschenswert allerdings wäre, wenn sich an dieser Tugend auch weltliche Würdenträger, namentlich politische Amtsträger, ein Beispiel nehmen würden. Nicht erst dann, wenn in der Mitte des neunten Lebensjahrzehnts das Alter drückt. Sondern dann, wenn es an der Zeit ist. Nietzsche lehrte: „Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh. Noch klingt fremd die Lehre: Stirb zur rechten Zeit!“ Für so manchem Politiker muß man sich zwar nicht unbedingt den Tod wünschen, wohl aber, daß er oder sie den Abgang zur rechten Zeit schafft. Gerade auch in Deutschland.

Damit könnte der scheidende Papst ein Vorbild werden, weit über seine Funktion in der Institution katholische Kirche hinaus.

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