Der Fall Ballweg

Im Frühjahr 2020 gründete der damals 45-jährige Unternehmer Michael
Ballweg in seiner Stuttgarter Heimat „Querdenken 711“, wobei die Zahl
für die Telefon-Vorwahl von Stuttgart (0711) stand. Nachdem er dort
Demonstrationen mit bis zu 5.000 Teilnehmern gegen die Corona-Maßnahmen
auf die Beine brachte, strebten er und seine Mitstreiter nach Größerem.
Zum „Gesicht“ der „Querdenker-Bewegung“ wurde er dann spätestens im
August 2020, als er sowohl Anfang des Monats als auch vier Wochen später
Ende August in Berlin höchst eindrucksvolle Massendemonstrationen auf
die Straße brachte; mit einer mindestens mittel fünfstelligen Zahl von
Menschen.

Solche Mega-Veranstaltungen kosten – wenn man sie ordentlich und
professionell aufztieht – natürlich eine Menge Geld. Der Unternehmer
Ballweg machte das mit angemessen großem Aufwand. Wofür es etliche
bereitwillige Spender gab. Die meisten „Querdenker“ sind recht
intelligente Menschen; randständig und arbeitslos oder bestenfalls
prekär beschäftigt sind wohl eher sehr wenige von ihnen. Knapp
zehntausend Menschen sollen im Laufe der zwei Jahre zwischen Sommer 2020
und Sommer 2022 rund eine Million zusammengebracht haben.

Wo viel Geld fließt, besteht natürlich immer die – zumindest
hypothetische – Gefahr, daß davon etwas zweckentfremdet wird. Wer für
karitative Zwecke spendet, muß – je nach Empfänger – damit rechnen, daß
zwischen 30 und 50 Prozent des Geldes dazu verwendet werden, den Apparat
zu finanzieren, und nur gut zwei Drittel bis vielleicht auch nur die
Hälfte des Geldes wirklich für den eigentlichen Zweck verwendet werden.
Dass ist nun einmal unvermeidlich. Selbst das Deutsche Rote Kreuz oder
die Caritas oder das örtliche Tierheim kommen nicht allein mit
ehrenamtlichen Helfern aus und können ihre Arbeit nicht vom heimischen
Wohnzimmer aus organisieren. Da wird Personal benötigt, Büros,
Geschäftsstelleneinrichtung, Fahrzeuge und und und.

Nun gab es bei Michael Ballweg eine kleine Auffälligkeit. Ausdrücklich
hat er nicht um Spenden geworben, sondern um Schenkungen, ganz
geschäftsmäßig mit dem Hinweis auf die steuerfreie Obergrenze einer
solchen Schenkung. Auch wenn so etwas für eine politische Organsation
ungewöhnlich ist, ist es allerdings noch lange kein Beweis für eine
Bereicherungsabsicht. Der Vorteil einer solchen Handhabung ist, daß
dann eben ein Einzelner über die Verwendung des Geldes entscheiden kann
und nicht der Gremienbeschluß eines Vorstandes herbeigeführt werden muß,
in dem es sehr unterschiedliche Interessen geben kann und der sich dann
möglicherweise sogar selbst blockiert. So etwas kommt sowohl bei
Parteien als auch bei Vereinen oder sonstigen Organisationen häufiger
mal vor.

Als aber nun Ballweg auch sein Haus verkaufte, reichte der äußerst vage
Anfangsverdacht für einen Haftbefehl wegen angeblicher Fluchtgefahr aus.
Der ursprüngliche Vorwurf lautete auf Betrug und Geldwäsche. Die
Geldwäsche soll darin bestanden haben, daß Ballweg einen Teil des
eingegangenen Geldes in sogenannter Krypto-Währung angelegt hatte.
Verständlich, wenn man berücksichtigt, daß sowohl dem
„Querdenken“-Verein als auch Ballweg privat Konten gekündigt wurden. Da
muß man dann halt nach alternativen Geldaufbewahrungsmöglichkeiten
suchen. Ein paar hunderttausend Euro im privaten Tresor liegen zu haben,
ist nicht die ideale Alternative. Und wenn man zuhause gar keinen Tresor
hat, sondern erst einen kaufen muß, dann wäre wieder die nächste Frage:
Darf man das dann aus den eingegangenen Geldern tun, oder muß man ihn
privat bezahlen…?!

Da gleichzeitig alle Konten, auf die Michael Ballweg Zugriff hatte,
eingefroren wurden, ist der Verdacht, er wolle sich mit dem verbliebenen
Rest von knapp einer Million Euro Spendengeldern ins Ausland absetzen,
ziemlich unsinnig.

Aber nicht allein der Umstand seiner Verhaftung Ende Juni 2022 – kurz
nachdem er einen politisch „heißen Herbst“ 2022 angekündigt hatte! – ist
skandalös, sondern auch die Dauer der Untersuchungshaft.

Bezeichnend ist allein der Umstand, daß bei der vor kurzem erst
fertiggestellten Anklageschrift der Vorwurf des „Betruges“ auf
„versuchten Betrug“ verringert wurde. Denn die Staatsanwaltschaft konnte
nicht ausschließen, daß es etlichen der fast 10.000 Spendern, die die
genannte Summe von rund einer Million aufgebracht haben, völlig egal
war, ob Ballweg das Geld jetzt beispielsweise in Dinge wie LKW-Miete,
Aufbau von Bühnen, Lautsprechertechnik und was man für eine
Massenveranstaltung sonst noch so braucht, investiert, oder ob er sich
davon selbst ein offizielles oder inoffizielles Funktionärsgehalt
bewilligt. (Letzteres könnte allerdings ein Steuervergehen sein, wenn es
nicht gegenüber dem Finanzamt angegeben wird.) Ach ja, und verworfen
wird ihm auch, daß er die Steuererklärung für 2020 noch nicht abgegeben
hat. Kein Wunder: Die Frist dafür endete im August 2022, aber zu dem
Zeitpunkt saß Ballweg bereits zwei Monate in Haft, und seine Unterlagen
waren beschlagnahmt. Wie soll da jemand eine Steuererklärung abgeben
können?! Das wäre ungefähr so, wie wenn man eine Vorladung zum Gericht
hat, am Abend vorher von der Polizei aus irgendeinem anderen Grund oder
mit einem Vorwand festgenommen wird, der Vorladung daher nicht folgen
kann und dann vom Gericht mit einem Ordnungsgeld belegt wird…

Alles nährt den Verdacht, daß man einfach eine Zentralfigur der
„Querdenker“-Szene ausschalten wollte, um der Regierung unangenehme
Demonstrationen gegen ihre überaus fragwürdigen, hinterher teilweise
sogar als wirkungslos zugegebenen Corona-Maßnahmen zu ersparen. So was
nennt man wahlweise Stalinismus oder Maoismus. (Der Regierungschef des
Landes Baden-Württemberg ist bezeichnenderweise ein (Ex?)-Maoist….
Vielleicht erinnert er noch Mao-tse-tungs politische „Weisheit“:
„Bestrafe einen, erziehe hundert!)

Die Corona-Jahre haben zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft
geführt. Vertrauen in die Regierung, in die Behörden, in „die
„Wissenschaft“ und nicht zuletzt in die Justiz wurde zerstört, weil vor
allem die Justiz auch die unsinnigsten Einschränkungen abgesegnet hat.
Der Fall Michael Ballweg hat zu diesem Vertrauensverlust massiv beigetragen.

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