Bürgerlicher Ungehorsam

Die Corona-Situation eskaliert ein wenig.

Damit ist nicht das Seuchengeschehen gemeint: das ist eher rückläufig. Und ob sich das durch die angstvoll heraufbeschworene Omikron-Variante ändert, ist sehr, sehr fraglich.

Nein, es sind eher die Proteste gegen immer weitere Einschränkungen, gegen gebrochene Versprechungen der Politik, gegen Ausgrenzung und Hetze.

Am vergangenen Montag haben im nordöstlichen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern nach polizeilichen Angaben über 18.000 Menschen demonstriert. In einem Land, das gerade mal bei 1,6 Millionen Einwohner hat; also waren über ein Prozent davon auf der Straße und haben ihren Unmut bekundet. Ein wenig erinnert das schon an die Endzeit des SED-Regimes in der DDR.

Im gleichfalls früher zur DDR gehörenden Sachsen ist die Corona-Verordnung in Sachen Demonstrationen äußerst rigide: Erlaubt ist die Versammlung von maximal zehn (in Worten: zehn!) Personen, und das auch nur rein stationär. Trotzdem begannen die massenhaften Maßnahmen-Proteste vor ein paar Woche in Sachsen, und es kam immer wieder zu unangemeldeten „Spaziergängen“ von teilweise mehreren hundert oder manchmal auch über tausend Menschen in verschiedenen Städten. – In Thüringen sind die Bestimmungen ähnlich rigide; dort sind (ortsfeste) Versammlungen von höchstens fünfunddreißig (in Worten fünfunddreißig) Personen erlaubt. Was am vergangenen Montag ungefähr 14.000 Thüringer nicht gehindert hat, demonstrativ auf die Straße zu gehen.

Bei solchen Aktionen hält sich die Polizei teilweise höflich-vornehm-bürgernah zurück, teilweise greift sie repressiv ein. Hin und wieder kommt es auch zu niederschwelligen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Bürgern und der Polizei, wobei man im Regelfall eher davon ausgehen sollte, daß es nicht Zusammenstöße „mit der Polizei“ waren, sondern solche „durch die Polizei“. Medien, die gleichgeschaltet wie zu SED-Zeiten wirken, sprechen dann gern von „verbotenen“ oder „unerlaubten“ Demonstrationen. Nun, verboten oder unerlaubt war auch der friedliche Aufstand vor rund 32 Jahren gegen das SED-Regime…. Das ist gerade in mitteldeutschen Ländern noch sehr gut erinnerlich.

Ähnliche Erfahrungen kann man indes auch im ur-westlichen Bayern machen.

Am Mittwoch meldeten Maßnahmengegner eine Demonstration in der Münchner Innenstadt mit 5.000 Personen an. Das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt – so nennt sich die dortige Versammlungsbehörde – kastrierte das Demonstrationsvorhaben aber auf eine rein stationäre Kundgebung auf der Theresienwiese und beschränkte die Zahl auf 2.000 Menschen. Das fand der Veranstalter unzumutbar. Er meldete die Veranstaltung ab. Trotzdem kamen an einem Werktag mitten in der Woche fünftausend Menschen zusammen, demonstrierten in der Innenstadt, blockierten dabei eine Hauptverkehrslinie. Die Polizei war mit fünfhundert Mann angetreten, was sich als unzureichend erwies. Auch daß der „Mehrzweckeinsatzstab“ über zweihundert Mal zum Einsatz kam und in elf Fällen Pfefferspray versprüht wurde, reichte nicht aus, die schiere Masse aufzuhalten. Die Zahl der Verletzten auf beiden Seiten war eher gering, und auch von einem einzelnen „angegriffenen“ Journalisten ist nur bekannt, daß er „angegriffen“ wurde, nicht jedoch, daß er verletzt wurde.

Ach, übrigens: Es gab auch eine Gegendemo. An ihr nahmen nach Medienberichten 160 (in Worten: hundertsechzig) Menschen teil. Scheint so, als ob die Regierungspolitik auf der Straße nicht allzuviel Zuspruch erhält.

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