Auf dem vielgelesenen Blog „Political Incorrect“ berichtet ein Vladimir B. von seinen Erlebnissen anläßlich einer Demonstration von PRO Nordrhein-Westfalen am vergangenen Wochenende in Wuppertal. Zunächst hat Herr B. sich die Gegendemonstration angeschaut. Traditionell sind solche Gegendemonstrationen nicht nur größer als die eigentliche Demonstration, sondern sie fangen auch früher an. Hier hat Herr B. ein paar interessante innere Widersprüche des üblichen gegendemonstrativen (reaktionären?!) linken Potentials aufgezeigt; amüsant zu lesen. Aber dann wird es richtig bemerkenswert.

Nach dieser kleinen Umschau bei einer Veranstaltung, zu der der Zugang völlig ungehindert war, wollte Herr B. sich auch von der anderen Seite ein Bild machen. Beziehungsweise sich mal deren Reden anhören. Das aber war mit Hindernissen verbunden. Lassen wir den Autor selbst zu Wort kommen:

Also ging ich dorthin, um mir die Kundgebung anzuschauen. Was dann passierte war, um es freundlich auszudrücken, empörend.

Die netten Polizeibeamten vor der Absperrung sagten mir, dass es hier kein Durchkommen geben würde. Wenn ich zur Kundgebung wolle, müsste ich einen anderen Zugangspunkt suchen. Das tat ich. Am nächsten Checkpoint fragte mich eine nette Polizeibeamtin, warum ich zur Kundgebung wolle. Um mir das Anliegen von Pro NRW anzuhören und ein paar Fotos zu machen, entgegnete ich. Dann dürfe ich aber nicht dorthin. Warum? Weil ich Fotos machen will und nichts kundgeben will, so wie es bei einer Kundgebung üblich ist. Und nun möge ich gehen.

Ich lief zum dritten Checkpoint. Dort sagte mir ein freundlicher Beamter, dass ich hier ebenfalls nicht durchkommen würde. Aber, wenn ich jemanden aus der Demo kennen würde, könne ich bestimmt mit dieser Person reden, wenn ich herüberwinken würde. Beim vierten Checkpoint beließ ich es dabei, dass ich einfach nur teilnehmen will, um zu hören, was die Leute zu sagen haben. Immerhin bekam ich diesmal eine Antwort, die mich für die nächsten Veranstaltungen weiterbringen sollte: Ich sollte drei Stunden später dort sein, wo sich die Demonstranten versammeln und nicht pünktlich dort sein, wo sie stattfindet, denn dann ist kein Durchkommen mehr möglich. Warum? Weil das zu meiner eigenen Sicherheit ist, falls die Nazis durchdrehen. Aus der Entfernung konnte man zwei Omas sehen, die ein Anti-Moschee-Zeichen hochhielten. Gott weiß, was die beiden Killersenioren mit mir angestellt hätten.

Nach ca. 30 Minuten bin ich dann nach Hause gegangen.

Mich erinnert das an ein Erlebnis bei einer NPD-Kundgebung im Sommer 1998 in Chemnitz, vormals Karl-Marx-Stadt. Ich selbst war völlig unauffällig, abgesehen davon, daß ich ein aus Funk und Fernsehen bekanntes Gesicht mit mir herumtrug, aber meine drei Begleiter sahen so szenetypisch aus, daß die Polizei uns ungefragt durch ihre Absperrung ließ. Wir begrüßten eine mir bekannte ortsansässige Teilnehmerin, die an der Jacke das Schild „Assistentin der Versammlungsleitung“ angeclipt hatte. Dann hörten wir hinter uns einen kurzen Wortwechsel.

Es war ein bürgerlich gekleidetes Ehepaar gekommen, so um die fünfzig vielleicht. Sie sahen nicht wie typische Angehörige oder Sympathisanten der NPD aus; zumindest nicht so, wie man es sich nach Fernseh- und Zeitungsberichten üblicherweise vorstellt. Wohl in der Annahme, es möglicherweise mit linksbürgerlichen Störern zu tun zu haben, wollten die Polizeibeamten sie nicht durchlassen. Bevor die „Assistentin der Versammlungsleitung“ (die die beiden kannte) oder ich intervenieren konnten, sagte die Dame höflich, aber sehr bestimmt: „Wir haben uns 1989 von der VOPO nicht abweisen lassen; glauben Sie denn, junger Mann, wir lassen uns heute von Ihnen abweisen?!“ Der wortführende Polizist, der vom Alter her ihr Sohn hätte sein können, wurde blaß und stumm und machte die Absperrung für die beiden auf…

PI-Autor Vladimir B. fehlte möglicherweise die Erfahrung dieser beiden Chemnitzer, an der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR teilgenommen zu haben. Was man ihm nicht verdenken kann; er ist Kölner, und Köln liegt eine Ecke von der Ex-DDR entfernt. Aber lassen wir ihn selbst noch einmal zu Wort kommen:

Ich war nicht der einzige, den die Polizisten abgewiesen haben. Da sind bestimmt an die 50 Menschen nicht durchgekommen.“

Unter solchen Umständen nimmt es dann allerdings nicht wunder, wenn die Teilnehmerzahlen von den Machthabern mißliebigen Demonstrationen künstlich verringert werden, während es vergleichbare Einschränkungen für die politisch sehr erwünschten Gegenaktionen natürlich nicht gibt.

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